Allerdings ist – wie bereits angedeutet – das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung nicht ausnahmslos gegeben.[39] Sowohl nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als auch nach der des EGMR können die allgemeinen Persönlichkeitsrechte anderer betroffener Personen einer Durchsetzung dieses Rechts entgegenstehen. Es wurde bereits erwähnt, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner ersten Entscheidung zum Auskunftsanspruch gegen die Mutter die Einschränkung des Kenntnisrechts durch ein entgegenstehendes allgemeines Persönlichkeitsrechts der Mutter für möglich hielt, letztlich dann allerdings wegen ihrer Verantwortlichkeit für die Zeugung des Kindes verneinte.[40] Auch der Ehe- und Familienfrieden kann grundsätzlich einen Eingriff in dieses Kindesrecht legitimieren.[41] Allerdings reicht allein ein abstrakter Gefährdungstatbestand nicht aus.[42] Die Einschränkung muss zudem verhältnismäßig sein, d.h. geeignet, erforderlich und zumutbar. Darüber, ob das Bundesverfassungsgericht in seiner jüngsten Entscheidung zum Kenntnisrecht, in dem es um einen Auskunftsanspruch gegen den inzwischen über achtzigjährigen vermeintlichen biologischen Erzeuger ging, die entgegenstehenden Interessen überzeugend abgewogen hat, kann man sicherlich streiten.[43]

[39] Spilker, FF 2017, 92, 93 ff. Für ein absolutes Recht bei Samenspende das Schweizer Recht, vgl. Aebi-Müller/Dörr, Schweiz, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und Europäisches Familienrecht, Bd. 16, 2015, S. 151, 158 (allerdings kein Recht auf persönlichen Kontakt).
[40] BVerfG NJW 1988, 1310: "Die Eltern eines nichtehelichen Kindes haben im Regelfall ihre Interessen denjenigen des Kindes unterzuordnen, denn sie haben die Existenz des Kindes und seine Nichtehelichkeit zu vertreten." Diesem Recht mehr Gewicht zubilligend: BVerfGE 96, 56, 61; 117, 202, 233; 138, 377.
[41] BVerfGE 79, 256.
[42] BVerfGE 79, 256; von Münch/Kunig/Coester-Waltjen, 6. Aufl., 2010, Art. 6 Rn 44. Zu beachten dürfte auch sein, dass umgekehrt der biologische Vater bei anderweitiger rechtlicher Zuordnung des Kindes über § 1686 BGB i.V.m. § 167a FamFG die biologische Vaterschaft klären kann, wenngleich auch hier Grenzen bestehen (s.u. bei Fn 62). Eine Asymmetrie zu Lasten des Kindes muss jedenfalls vermieden werden.
[43] BVerfG v. 19.4.2016, NJW 2016, 1939 (Anm. Heiderhoff 1918), FamRZ 2016, 877 (Anm. Spickhoff); Wellenhofer, JuS 2016, 1032; zurückhaltend mit Kritik: Spilker, JuS 2016, 988 und FF 2017, 92, 96.

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