Durch das 1. EheRG[4] wurde mit Wirkung zum 1.7.1977 das Verschuldensprinzip abgeschafft und das Zerrüttungsprinzip im Scheidungsrecht eingeführt. Nunmehr konnte eine Ehe auch unabhängig von einem Verschulden immer dann geschieden werden, wenn sie gescheitert war. Neu eingeführt wurde ein – ebenfalls verschuldensunabhängiges – nacheheliches Unterhaltsrecht. Angeknüpft wurde an den Grundsatz der nachehelichen Solidarität in Form einer fortwirkenden wirtschaftlichen Verantwortung der Ehegatten füreinander. Nach der Systematik des Gesetzes soll zwar das Prinzip der wirtschaftlichen Eigenverantwortung den Regelfall darstellen; dieser wird aber durch zahlreiche Ausnahmetatbestände nahezu ins Gegenteil verkehrt mit der Folge, dass überwiegend die Ausnahme zur Regel wird.[5]

Die tiefgreifende Veränderung gesetzlicher Vorschriften wurde teilweise als Hirngespinst ideologisch verblendeter, sozialistisch fehlgeleiteter Wirrköpfe abgetan. Selbst bei weniger radikalen Beobachtern löste die gravierende Abkehr von den patriarchalischen Vorstellungen der Nachkriegsgesellschaft Emotionen aus. Der nach seiner Soldatenzeit zum Alleinverdiener gewordene Ehemann sah sein familiäres Weltbild in den Grundfesten erschüttert; die frühere Trümmerfrau, deren Platz später als Hausfrau und Mutter am häuslichen Herd vorgesehen war, hatte plötzlich ganz andere Rechte.[6]

Verfahrensrechtlich ist von Bedeutung, dass die Einrichtung von Familiengerichten als ein Kernstück der Reform anzusehen ist; der Rechtsmittelzug geht nunmehr vom Amtsgericht zum Familiensenat des OLG.

[4] Erstes Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts vom 14.6.1976. Vgl. dazu Hahne, FamRZ 2002, 921; Büttner, FF 2002, 78; Luthin, FF 2002, 80; Diederichsen, FF 2002, 149; Dauner-Lieb, FF 2002, 151.
[5] Vgl. Scholz, FamRZ 2003, 265, 266 unter III.
[6] Lütkes, FF 2002, 185; Born, in: Festschrift 50 Jahre Deutsches Anwalts Institut, ZAP-Verlag (2003), S. 281 ff.

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