BGB § 138 § 1408 § 1414 § 1379

Leitsatz

1. Zur Funktionsäquivalenz von Versorgungs- und Zugewinnausgleich: In Fällen, in denen ein Ehegatte als Selbstständiger voraussichtlich seine Altersversorgung durch Bildung von grundsätzlich dem Zugewinnausgleich unterfallenden Vermögens betreiben wird, während der andere Ehegatte voraussichtlich zur Altersversorgung lediglich Rentenanwartschaften erwerben wird, führt der ehevertragliche Ausschluss des Zugewinnausgleichs unter Beibehaltung des Versorgungsausgleichs zum einseitigen Ausschluss eines Ehegatten von der Teilhabe an der Altersvorsorge des anderen im Scheidungsfall. In einem solchen Fall liegt eine einseitige Lastenverteilung und durch den einseitigen Ausschluss der späteren Teilhabe an der erworbenen Altersvorsorge ein Eingriff in den Kernbereich der Scheidungsfolgen vor.

2. Auch im Fall einer objektiv einseitigen, durch die ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigten Lastenverteilung ist das Verdikt der Sittenwidrigkeit eines Ehevertrages nur möglich, wenn zusätzlich eine Störung der subjektiven Vertragsparität festgestellt werden kann (BGH, Urt. v. 31.10.2012 – XII ZR 129/10, FamRZ 2013, 195).

3. Eine solche Störung der subjektiven Vertragsparität liegt nicht schon dann vor, wenn der benachteiligte Ehegatte die Bedeutung und Tragweite des Abschlusses eines Ehevertrages grundsätzlich erkennt, die konkreten Vertragsbestimmungen jedoch nicht versteht, und sodann weitere Beratung und Aufklärung vor Abschluss des Ehevertrages deshalb nicht einholt, weil er seinem Ehegatten "blind" vertraut. Der bewusste Verzicht darauf, im Rahmen der Vertragsverhandlungen selbst oder durch Berater die eigenen Interessen zu wahren, rechtfertigt nicht schon die Bejahung des subjektiven Sittenwidrigkeitselements.

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 12.12.2014 – 20 UF 7/14 (AG Weinheim)

1 Gründe:

I. Die Antragsgegnerin (nachfolgend: Ehefrau) begehrt als Folgesache im Wege des Stufenantrags zum Zugewinnausgleich Auskunft sowie noch zu beziffernde Zahlung. Der Antragsteller (nachfolgend: Ehemann) beruft sich auf einen ehevertraglichen Ausschluss des Zugewinnausgleichs.

Die Ehefrau durchlief von 1987 bis 1989 eine Ausbildung als Büroassistentin und war anschließend bis 1993 in diesem Beruf tätig. Der Antragsteller war selbstständig, und zwar zunächst Bezirksleiter einer Bausparkasse. Am 23.7.1993 schlossen die Beteiligten die Ehe. Die Ehefrau war damals 22 Jahre, der Ehemann 27 Jahre alt.

Am 2.9.1993 schlossen die Beteiligten einen notariell beurkundeten Ehevertrag. In § 1 des Ehevertrages wurde der Ausgleich des Zugewinns ausgeschlossen und festgestellt, dass damit mit Wirkung ab Eheschließung Gütertrennung eintrete. In § 4 wurde geregelt, dass eine Vereinbarung über den Ausschluss des Versorgungsausgleichs nicht getroffen werde. § 5 lautet:

"Für den Fall der Scheidung unserer Ehe vereinbaren wir, dass wir beide gegenseitig auf jegliche Unterhaltsansprüche verzichten. Dieser Verzicht gilt auch für den Fall der Not, er gilt nicht, wenn der Verzichtende ein oder mehrere Kinder aus unserer Ehe zu betreuen hat, die noch nicht sieben Jahre alt sind, und der Betreuende deshalb nicht berufstätig sein kann; in diesem Fall gilt der Verzicht erst ab dem siebten Lebensjahr des jüngsten Kindes. Solange der Unterhaltsverzicht wegen Betreuung eines minderjährigen Kindes nach vorstehender Vereinbarung nicht gilt, ist der Unterhaltsanspruch des berechtigten Ehegatten begrenzt auf 50 % des Nettogehalts, den er erhalten würde, wenn er in seinem zuletzt ausgeübten Beruf in vollem Umfang tätig wäre."

Der Verzicht wird sofort von beiden Vertragsschließenden mit dinglicher Wirkung ausgesprochen und gegenseitig angenommen. Der Notar hat auf die Bestimmung des § 138 BGB hingewiesen. Er hat ferner darauf hingewiesen, dass die Verpflichtung zu Unterhaltsleistungen für die Kinder selbst dadurch nicht beeinträchtigt werden.“

Die Urkunde enthält außerdem einen Erbvertrag, mit welchem sich die Beteiligten wechselseitig zu "unbeschränkten Alleinerben" einsetzten. Eine salvatorische Klausel enthält der Ehevertrag nicht.

Im Zusammenhang mit der Eheschließung gab die Ehefrau ihre bisherige Arbeitsstelle auf. Sie war zunächst arbeitslos gemeldet. Ab April 1994 war sie vom Ehemann für Bürotätigkeiten angestellt.

In den Jahren 2001 und 2004 wurden die ehegemeinsamen Kinder T. und N. geboren. Im Jahr 2007 wurde bei der Ehefrau Krebs diagnostiziert, sie musste sich einer Operation und Folgebehandlungen unterziehen. Der Ehemann nahm in dieser Zeit ein außereheliches Verhältnis auf.

Am 10.12.2011 trennten sich die Beteiligten. Der Scheidungsantrag wurde der Ehefrau am 12.2.2013 zugestellt.

Die Ehefrau hat vorgetragen: Der Ehevertrag sei wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Der Vertrag sei auf Drängen des Ehemannes zustande gekommen. Der Ehemann habe der Ehefrau erklärt, der Vertrag diene ihrer Absicherung und der Absicherung der Selbstständigkeit des Ehemannes. Die Ehefrau habe keine Möglichkeit gehabt, sich über die Bedeutung der getroffenen Regelungen zu infor...

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