1. Nur für "ganz miese" Fälle: § 138 BGB

Der BGH schränkt vorliegend den Anwendungsbereich der Sittenwidrigkeit ein und betont die Bedeutung der Vertragsfreiheit. Dem ist grundsätzlich zuzustimmen. Die Sittenwidrigkeit ist ein starres, scharfes Schwert, das sich nicht für flexible Lösungen eignet, sondern ein ethisches Minimum im Einzelfall sichert.[23] Sittenwidrigkeit und damit Nichtigkeit soll grundsätzlich nur vorliegen, wenn eine in Bezug auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses gänzlich unzumutbare Regelung vorliegt (objektives Element), die auf gestörter Vertragsparität beruht (subjektives Element).[24] Erstaunlich ist allerdings, dass der BGH den veränderten Umfang der Unterhaltsansprüche nach der Unterhaltsreform 2008 mit keinem Wort erwähnt.[25] So ist es angesichts der Tatsache, dass die Unterhaltsansprüche der nichtehelichen Mutter nicht abbedungen werden können, nicht einsichtig, dass im Ehevertragsrecht an dieser Stelle volle Vertragsfreiheit herrschen soll. Überzeugender erscheint es daher, den Kindesbetreuungsunterhalt jedenfalls dann für indisponibel zu erachten, wenn er im Interesse des Kindes gewährt wird. Andernfalls läge ein Verzicht zu Lasten Dritter vor.[26]

[23] So bereits: Dauner-Lieb, AcP 201 (2001) 295, 325 f.; Sanders, Statischer Vertrag und dynamische Vertragsbeziehung, 2008, 243.
[24] So auch BGH NJW 2013, 457, 459 f., Rn 27.
[25] Zur Auswirkung der Unterhaltsreform bei der Ausübungskontrolle: BGH NJW 2011, 2969, 2971, Rn 28.
[26] Vgl. Löhnig/Preisner, NJW 2012, 1479.

2. Ausübungskontrolle: § 242 BGB oder § 313 BGB?

Seit einigen Entscheidungen führt der BGH auf der zweiten Stufe der Inhaltskontrolle zwei Instrumente an, ohne dass klar würde, wann welches anzuwenden wäre.[27] § 242 BGB soll eingreifen, wenn sich im Zeitpunkt der Scheidung eine evident einseitige, unzumutbare Lastenverteilung ergibt. § 313 BGB soll dagegen Anwendung finden, wenn und soweit die tatsächliche Gestaltung der Lebensverhältnisse von derjenigen ursprünglichen Lebensplanung abweicht, welche die Parteien dem Ehevertrag zugrunde gelegt haben.[28] Eine klare Abgrenzung ermöglicht dies nicht. Auch § 313 Abs. 1 BGB greift nur ein, wenn ein Festhalten am unveränderten Vertrag unzumutbar ist und auch § 242 BGB setzt eine gewisse Veränderung der Verhältnisse voraus. Hätte die unzumutbare Lastenverteilung schon bei Vertragsabschluss vorgelegen, so hätte dies im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle berücksichtigt werden müssen. Der BGH klärt auch nicht, ob die Inhaltskontrolle im vorliegenden Fall auf § 313 BGB[29] oder § 242 BGB gestützt wird. Für Ersteres spricht, dass der BGH "eine grundlegende Abweichung der tatsächlichen Lebenssituation durch die mit der Betreuung der Kinder verbundenen Einschränkung der Berufstätigkeit"[30] annimmt. Dagegen spricht allerdings, dass der BGH bei Rn 56 wieder von der Ausübungskontrolle nach § 242 BGB spricht. Damit stellt sich die Frage der Abgrenzung der beiden Institute.

Die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage wurden entwickelt, um die Folgen massiver wirtschaftlicher und sonstiger Veränderungen, mit denen die Parteien nicht gerechnet haben und in diesem Umfang auch nicht rechnen mussten, abzufangen. Entsprechend ist § 313 BGB auch nicht anwendbar, wenn die Partei, die sich auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage beruft, die Veränderung selbst herbeigeführt hat.[31] Das hat die Ehefrau im vorliegenden Fall aber mit der Einschränkung ihrer Berufstätigkeit getan. Die Einschränkung der Berufstätigkeit nach der Geburt eines Kindes war auch durchaus vorhersehbar; jeder Notar weist auf die Möglichkeit solcher Veränderungen hin. In einer solchen Situation ist aber § 313 BGB nicht das richtige Instrument. Die Notwendigkeit der Anpassung des Vertrages ergibt sich nicht daraus, dass die Ehefrau von einer überraschenden Entwicklung getroffen wurde, sondern, dass das Ehepaar seine Familie gemeinsam so gestaltete, dass Versorgungsnachteile für die Ehefrau entstanden. Ehegatten passen ihre Gemeinschaft fortlaufend an veränderte Verhältnisse an. Sie entscheiden, ob sie Kinder haben wollen und wie sie betreut werden. Entstehen aus diesen gemeinsamen Entscheidungen ehebedingte Nachteile, so müssen diese auch von beiden getragen werden und die Berufung auf den Ehevertrag ist insoweit als rechtsmissbräuchlich anzusehen.[32] Es ist auf die gegenseitigen Rücksichtnahmepflichten zwischen den Ehegatten und damit § 242 BGB abzustellen. Eine überzeugende Anwendung des § 313 BGB findet sich demgegenüber in der Entscheidung des BGH vom 25.1.2012 – XII ZR 139/09. Hier wurde eine Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage aufgrund der erst später rechtlich zulässigen Möglichkeit einer Befristung eines Unterhaltsanspruchs angenommen.[33] Auch wenn man über das Ergebnis streiten kann, so ist dem BGH hier zuzugeben, dass sich Verhältnisse unabhängig von einverständlichen Entscheidungen der Ehepartner stark verändert haben, die es rechtfertigen, die so entstandenen ehebedingten Nachteile gemeinsam zu tragen. Daher wendete der BGH hier richtigerweise § 313 BGB und nicht § 242 BGB an. In Betracht ...

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