I. Das Amtsgericht hat der Antragsgegnerin mit Beschl. v. 16.7.2012 Verfahrenskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten bewilligt. Der Beschluss ist der Bezirksrevisorin im Wege einer Stichprobe am 16.8.2012 zur Kenntnis gelangt. Mit ihrer am 5.9.2012 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde wendet sich die Bezirksrevisorin gegen die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe ohne Ratenzahlung. Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II. Die gemäß §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 127 Abs. 3 S. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde der Staatskasse hat in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Amtsgericht der Antragsgegnerin Verfahrenskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt.

1. Die Antragsgegnerin verfügt nicht über einzusetzendes Einkommen i.S.d. § 115 Abs. 2 ZPO.

a) Das Einkommen der Antragsgegnerin setzt sich zusammen aus einer Nettorente i.H.v. 1.094,06 EUR, Pflegegeld i.H.v. 235 EUR sowie nachehelichem Unterhalt i.H.v. 300 EUR.

Das Pflegegeld (es dürfte es sich um Pflegegeld i.S.d. § 37 Abs. 1 S. 3 Nr. 1c SGB XI handeln) ist jedoch gemäß § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 2. HS ZPO i.V.m. § 1610a BGB nicht als Einkommen zu berücksichtigen (OLG Bremen FamRZ 2013, 60; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 32. Aufl., § 115 Rn 3).

b) Vom Einkommen abzusetzen ist zunächst der Freibetrag nach § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2a ZPO i.H.v. 442 EUR (vgl. Prozesskostenhilfebekanntmachung 2013 vom 9.1.2013 (BGBl I, S. 81)).

c) Gemäß §§ 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1a, 82 Abs. 2 SGB XII sind die nachgewiesenen Kosten der Gebäude-, Hausrat- und Privathaftpflichtversicherungen i.H.v. insgesamt monatlich 43,40 EUR abzuziehen. Abzugsfähig sind auch die Kosten der Kfz-Versicherung i.H.v. monatlich 94,57 EUR. Die Antragsgegnerin hat durch Vorlage einer Kopie ihres Schwerbehindertenausweises vom 20.7.2008, in welchem die Merkzeichen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 (aG) und Nr. 7 (G) der Schwerbehindertenausweisverordnung vermerkt sind, aus welchem sich also ergibt, dass die Antragsgegnerin an einer Gehbehinderung leidet, hinreichend glaubhaft gemacht, dass sie aufgrund ihrer Behinderung auf die Nutzung eines Pkw angewiesen ist.

d) Gemäß § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 ZPO sind die Wohnkosten in Höhe der nachgewiesenen Darlehensraten von insgesamt monatlich 614,91 EUR sowie der Gaskosten als Heizungskosten i.H.v. monatlich 137 EUR anzusetzen. Die Darlehensraten sind entgegen der Auffassung der Bezirksrevisorin in voller Höhe abzuziehen. Zwar ergibt sich aus den eingereichten Darlehensverträgen, dass Darlehensnehmer beide Eheleute sind. Jedoch wird die finanzierte Immobilie seit Trennung der Eheleute unstreitig von der Antragsgegnerin allein bewohnt. Ihr Vortrag, sie trage die Darlehensraten allein, ist daher plausibel. Der Antragsteller hat entsprechende Zahlungen im Rahmen seines eigenen Verfahrenskostenhilfeantrages auch nicht vorgetragen. Abzugsfähig sind auch die nachgewiesenen Grundbesitzabgaben i.H.v. monatlich 40,04 EUR und die Schornsteinfegerkosten i.H.v. 4,59 EUR. Nicht abzugsfähig sind allerdings die Strom- und Wasserkosten, da diese bereits in dem Freibetrag nach § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2a ZPO enthalten sind (vgl. BGH FamRZ 2008, 781).

e) Als besondere Belastung i.S.d. § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 ZPO ist die Darlehensrate für einen Umschuldungskredit i.H.v. 69 EUR monatlich zu berücksichtigen.

Auch die Darlehensrate für die Neuanschaffung eines kreditfinanzierten Pkw i.H.v. monatlich 322 EUR ist als besondere Belastung im Sinne des § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 ZPO abzugsfähig. Ob der Neuerwerb des kreditfinanzierten Fahrzeuges der Marke Citroën angesichts des Umstandes, dass die Antragsgegnerin zuvor über ein Altfahrzeug der Marke Hyundai verfügte, erforderlich war, weil, wie die Antragsgegnerin vorträgt, das alte Fahrzeug nicht mehr hinreichend behindertengerecht gewesen sei, kann dahinstehen. Denn es ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin zum Zeitpunkt der Fahrzeugbestellung am 24.3.2012 zwingend mit der Einleitung des vorliegenden Verfahrens durch den Antragsteller rechnen musste und die Kreditrate steht auch nicht – völlig – außer Verhältnis zum Einkommen der Antragsgegnerin (vgl. Zimmermann, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, 4. Aufl., Rn 121 ff.).

f) Insgesamt ergibt sich die diesem Beschluss als Anlage beigefügte Einkommensberechnung, aus welcher ersichtlich ist, dass ein einzusetzendes Einkommen nicht zur Verfügung steht.

2. Entgegen der Auffassung der Bezirksrevisorin verfügt die Antragsgegnerin auch nicht über gemäß §§ 115 Abs. 3 ZPO, 90 SGB XII einzusetzendes Vermögen.

Insbesondere kommt eine Stundung der Verfahrenskosten im Hinblick auf eine mögliche Veräußerung von Grundbesitz (vgl. insofern OLG Bremen FamRZ 2011, 386) nicht in Betracht. Zwar ist die Antragsgegnerin Alleineigentümerin eines derzeit noch von ihr selbst bewohnten Hausgrundstücks in der Gemeinde B. Das Grundstück ist jedoch mit dinglich gesicherten Darlehensverbindlichkeiten mit einer Restschuld i.H.v. 85.947,10 EU...

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