Bis zum Inkrafttreten des 1. Eherechtsreformgesetzes war der nacheheliche Unterhalt im Ehegesetz (EheG) geregelt. Die Unterhaltspflicht war davon abhängig, ob einer der Ehegatten allein oder überwiegend für an der Ehescheidung schuldig erklärt worden war (§§ 58, 59 EheG) oder ob mit der Scheidung festgestellt worden war, dass beide Ehegatten an der Scheidung schuld sind (§ 60 EheG). Ein allein oder überwiegend für an der Scheidung schuldig erklärter Mann hatte seiner geschiedenen Ehefrau gemäß § 58 EheG den "nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten" angemessenen Unterhalt zu gewähren, soweit die Einkünfte aus ihrem Vermögen und die Erträgnisse ihrer Erwerbstätigkeit nicht ausreichten.[4] Soweit die Gewährung des eheangemessenen Unterhalts bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen zu einer Gefährdung des eigenen angemessenen Unterhalts des unterhaltspflichtigen Ehegatten führte, musste er nach § 59 EheG nur so viel leisten, wie es mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und die Vermögens- und Erwerbsverhältnisse der geschiedenen Ehegatten der Billigkeit entsprach. Der Unterhaltsanspruch eines geschiedenen Ehegatten und der Anspruch eines neuen Ehegatten standen nach diesem früheren Recht gleichrangig nebeneinander.[5]

Auf dieser gesetzlichen Grundlage wurde überwiegend vertreten, dass sich nacheheliche Veränderungen der Einkommensverhältnisse grundsätzlich bereits auf die Bemessung des Unterhaltsbedarfs nach § 58 EheG auswirkten und nur außergewöhnliche Einkommens- und Vermögenssteigerungen auf Seiten des Unterhaltspflichtigen bei der Bedarfsbemessung unberücksichtigt blieben.[6] Auch eine weitere Unterhaltspflicht gegenüber einem gleichrangigen neuen Ehegatten wurde bereits bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs des geschiedenen Ehegatten nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten gemäß § 58 EheG und nicht erst im Rahmen der Leistungsfähigkeit nach § 59 EheG berücksichtigt.[7] Auch nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts waren die Interessen eines geschiedenen und die eines neuen Ehegatten bereits bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs als gleichwertig zu berücksichtigen.[8]

[4] Zur Bemessung des Anspruchs vgl. BGH, Urt. v. 23.11.2005 – XII ZR 73/03, FamRZ 2006, 317, 320 f.
[5] H.M., vgl. Baumeister/Fehmel/Griesche/Hochgräber/Kayser/Wick, Familiengerichtsbarkeit, § 1582 BGB Rn 1.
[6] RGZ 145, 119, 120 und 145, 302, 306 f. (zu § 66 EheG 1938); Hoffmann/Stephan, EheG, 2. Aufl., § 58 Rn 32.
[7] Hoffmann/Stephan, EheG, 2. Aufl., § 59 Rn 30.
[8] RGZ 48, 112, 114; 75, 433, 434 f. (zu § 1579 BGB a.F.); RGZ 145, 119, 120 und 145, 302, 306 f. (zu § 66 EheG 1938); vgl. später auch BT-Drucks 7/4361, S. 34.

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