Ist gutes Benehmen mit dem Anwaltsberuf unvereinbar? Manchmal kann man den Eindruck gewinnen, dass dies immer mehr Kollegen und Kolleginnen so sehen. Möglicherweise befürchten diese, mit guten Manieren ihrer Mandantschaft nicht ausreichend demonstrieren zu können, wie durchsetzungsfähig sie seien.

Ziele erreichen und sich behaupten können – das fordert der Mandant von seinem Anwalt. Eine geschliffene Rhetorik, ein brillanter Schriftsatz, ein pointiertes Schreiben müssen allerdings nicht unhöflich sein. Sicher wird im Privaten ein anderer Ton als vor Gericht gepflegt. Aber eine gemeinsame Basis sollte doch sein, den Kollegen zu begrüßen und zu verabschieden, sowie jegliche Beschimpfungen zu vermeiden.

Ich denke, dass man nicht als "Schwächling" vor der Mandantschaft dasteht, wenn man aufmerksam zuhört, den anderen ausreden lässt und Blickkontakt herstellt. Vielleicht ist es der richtige Weg, dem Mandanten vorab zu erklären, dass ein höflicher Umgangston kein Zeichen von Schwäche ist und dass man – auch oder gerade mit gutem Benehmen – die Mandanteninteressen klar und unmissverständlich vertreten kann; "durchdrücken" wird man sie sowieso nicht können.

Sicherlich gibt es Kollegen und Kolleginnen, die sich mit den probaten Mitteln wie brüllen, beleidigen und ins Wort fallen immer wieder behaupten. Diese Kollegen sind wohl hoffnungslose Fälle. Wir anderen sollten uns aber überlegen, ob wir tatsächlich ein "wadelbeißerisches Mietmaul" oder aber ein professioneller Interessensvertreter sein wollen. Mit unseren Umgangsformen sollten wir vielen Richtern und Richterinnen als Vorbild dienen, die sich leider immer mehr gegenüber Anwälten und Parteien im Ton vergreifen.

So wurde erst vor Kurzem mein Mandant "angepfiffen", dass er doch gefälligst seinen Kaugummi aus dem Mund nehmen solle. Dabei war der Mandant verschnupft und lutschte eine Tablette gegen Halsschmerzen.

Ein Kollege musste sich anhören, dass vor Gericht "Robenzwang" herrsche. Als er antwortete, er habe die Robe in der Aktentasche und wolle sie gerade überziehen, meinte die Richterin, das hätte er doch schon längst auf dem Gang erledigen können. Im Weiteren wurde dem Kollegen in der Verhandlung das Wort abgeschnitten mit dem Hinweis, dass das Gericht das Wort erteile und ansonsten geschwiegen werden müsse. Von der irritierten Mandantin musste sich der Kollege später anhören, warum er sich vom Gericht wie ein "kleiner Schulbub vorführen lasse".

Es ist immer sehr schwierig und erfordert auch Fingerspitzengefühl auf Grobheiten angemessen und souverän zu reagieren. Man möchte nicht, dass sich die Angelegenheit weiter zuspitzt und der Ton immer aggressiver wird. Gleichzeitig kann man aber nicht einfach darüber weggehen.

Vor Jahren wurde ich von einem Familienrichter in der Verhandlung vor der Mandantin mit der flapsigen Bemerkung konfrontiert, dass ich wohl nicht bis drei zählen könne. Hintergrund war, dass der Scheidungsantrag versehentlich auf § 1566 Abs. 1 BGB gestützt worden war, obwohl die Parteien schon etwas über drei Jahre voneinander getrennt lebten. Nach dem Termin rief ich bei dem Richter an und erklärte ihm freundlich, warum eine solche Äußerung vor den Parteien unpassend sei. Der Richter reagierte ganz einsichtig und begrüßte mich dann aber in der nächsten Verhandlung mit den Worten: "Ich bin übrigens schon der Meinung, dass Sie mindestens bis drei zählen können!" Das Gericht im Nachhinein auf deplatzierte Bemerkungen hinzuweisen, ist also auch kein Königsweg.

Möglicherweise wäre es einfach einmal sinnvoll, beim Amtsgerichtsdirektor einen "internen Hinweis" an die Richter und Richterinnen zu erbitten, wie man mit Mandanten und Parteien höflich umgeht, denn gutes Benehmen ist die Kunst, den Menschen unseren Umgang angenehm zu machen. (Jonathan Swift)

Autor: Dr. Undine Krebs

Dr. Undine Krebs, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht, München

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