BGH, Urt. v. 8.4.2012 – XII ZR 65/10

  1. Beim Unterhaltsanspruch wegen Betreuung von Kindern ab der Altersgrenze von drei Jahren ist zunächst der individuelle Umstand zu prüfen, ob und in welchem Umfang die Kindesbetreuung auf andere Weise gesichert ist oder gesichert werden könnte (im Anschluss an Senatsurt. v. 18.3.2009 – XII ZR 74/08, BGHZ 180, 170 = FamRZ 2009, 770).
  2. An die für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts insbesondere aus kindbezogenen Gründen erforderlichen Darlegungen (hier: bei drei minderjährigen Kindern und von der Unterhaltsberechtigten zu leistenden Fahrdiensten an den Nachmittagen) sind keine überzogenen Anforderungen zu stellen (im Anschluss an Senatsurt. v. 15.6.2011 – XII ZR 94/09, FamRZ 2011, 1357).
  3. Zur Beurteilung einer überobligationsmäßigen Belastung im Rahmen der Verlängerung des Betreuungsunterhalts ist auch der Aspekt einer gerechten Lastenverteilung zwischen unterhaltsberechtigtem und unterhaltspflichtigem Elternteil zu berücksichtigen (im Anschluss an Senatsurt. v. 18.3.2009 – XII ZR 74/08, BGHZ 180, 170 = FamRZ 2009, 770; v. 16.7.2008 – XII ZR 109/05, BGHZ 177, 272 = FamRZ 2008, 1739 und v. 21.4.2010 – XII ZR 134/08, FamRZ 2010, 1050).
  4. Hat der Unterhaltspflichtige nach dem – unterhaltsrechtlich nicht vorwerfbaren – Verlust seines Arbeitsplatzes eine Abfindung erhalten und hat er im Anschluss daran eine neue Arbeitsstelle mit dauerhaft geringerem Einkommen gefunden, so ist die Abfindung bis zur Höchstgrenze des Bedarfs aufgrund des früheren Einkommens grundsätzlich für den Unterhalt zu verwenden (im Anschluss an Senatsurt. v. 28.3.2007 – XII ZR 163/04, BGHZ 172, 22 = FamRZ 2007, 983 und v. 2.6.2010 – XII ZR 138/08, FamRZ 2010, 1311; teilweise Aufgabe von Senatsurt. v. 29.1.2003 – XII ZR 92/01, BGHZ 153, 358 = FamRZ 2003, 590).
  5. Ob eine Aufstockung bis zum bisherigen Einkommen geboten ist und der bisherige Lebensstandard vollständig aufrechterhalten werden muss, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen, insbesondere auch nach der vom Unterhaltspflichtigen zu erwartenden weiteren Einkommensentwicklung.

OLG Hamm, Beschl. v. 29.3.2012 – II-2 UF 215/11

  1. Eine Mehrarbeit in außergewöhnlichem Umfang kann – da nicht eheprägend – im Rahmen der Unterhaltsberechnung unberücksichtigt bleiben (hier: Überstunden auf Kraftwerk-Großbaustelle).
  2. Eine 57-jährige geschiedene Ehefrau kann auch bei fehlender Berufsausbildung aus einer leichten vollschichtigen Tätigkeit unter Ansatz von 7 EUR/Stunde ein Einkommen von brutto 1.211 EUR = 913 EUR netto erzielen.
  3. Nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH zur sekundären Beweislast (NJW 2012, 74 = FamRZ 2012, 93) kann bei einer zum Zeitpunkt der Heirat 30-jährigen Frau ohne Berufsausbildung ohne konkrete Hinweise und bei Fehlen von Erwerbsbemühungen nach Trennung nicht angenommen werden, dass sie ohne Heirat und Kinder noch eine Berufsausbildung absolviert hätte. Da es gerade bei ungelernten Kräften nicht unüblich ist, dass sie nach einer gewissen Zeit der Arbeitstätigkeit ihren Arbeitsplatz verlieren und sich erneut auf Arbeitssuche begeben müssen, um auf niedrigem Lohnniveau eine neue Anstellung zu finden, kann auch das Erreichen eines höheren Lohnniveaus ohne Ehe nicht pauschal unterstellt werden.
  4. Zur Kombination von Herabsetzung und Befristung des Unterhalts nach § 1578b BGB bei einer Ehedauer von 21 Jahren und einer Trennungszeit von über acht Jahren.

(Leitsätze von Dr. Winfried Born, RA und FA für Familienrecht)

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