Die Regelung des Betreuungsunterhalts für die Mütter und Väter nichtehelicher Kinder in § 1616l BGB ist schon häufiger auf rechtspolitische Kritik gestoßen. Die inneren Widersprüche des Gesetzes liegen offen zutage. Der Paragraph § 1615l ist ein Hybrid aus drei Elementen, nämlich des Schadensersatzes, des Verwandtenunterhalts und des Unterhalts in der Paarbeziehung. Diese Mischung erklärt sich aus der Normgeschichte.

1. Schadensersatz

Im BGB des Jahres 1900 waren Ansprüche der Mutter eines nichtehelichen Kindes gegen den Vater in § 1715 Abs. 1 geregelt. Das Gesetzbuch gestand der Mutter einen Anspruch auf Kostenersatz zu: Kosten der Entbindung, Kosten des Unterhalts für die ersten sechs Wochen nach der Entbindung, Kosten weiterer Aufwendungen, die infolge Schwangerschaft und Entbindung notwendig werden. Auch soweit hier der Unterhalt angesprochen ist, handelte es sich nicht um einen Unterhaltsanspruch, sondern – wie das Gesetz klar zum Ausdruck bringt – um Kostenersatz, eine aus dem Schadensersatzrecht bekannte Kategorie. Zu den Unterhaltsansprüchen stellte das Gesetzbuch keinerlei Verbindung her.

Dieser Anspruch aus § 1715 war der Überrest einer umfassenderen Klage, die es im gemeinen Recht der Zeit vor dem BGB gegeben hatte: der sogenannten Stuprationsklage oder Deflorationsklage. Darunter verstand man den Schadensersatzanspruch für die, wie man es nannte, "Schwächung" und "Schwängerung" ehrsamer Jungfrauen und Witwen. Der Mann, der eine solche Frau "geschwächt" hatte, war verpflichtet, sie entweder zu heiraten oder zu entschädigen, z.B. ihr eine Aussteuer zu leisten.[1] Dahinter stand die Vorstellung, dass der Geschlechtsverkehr mit einer "unbescholteten" Frau für den Mann selbst dann ein Delikt war, wenn die Frau eingewilligt hatte. Die Frau war das Opfer, die Geschädigte.

Dieser Anspruch des gemeinen Rechts wurde im Verlauf des 19. Jahrhunderts abgeschafft.[2] Ins BGB retteten sich nur noch gewisse mit dem Deflorationsanspruch verwandte Reste des Entschädigungsdenkens, nämlich einerseits der berühmte § 1300 BGB ("Kranzgeld" der Verlobten bei Auflösung des Verlöbnisses), andererseits der genannte Anspruch auf Kostenersatz in § 1715. Auch dieser Entschädigungsanspruch basierte letztlich noch auf der Idee, dass ein Mann, der außerhalb der Ehe ein Kind zeugt, der Frau gegenüber eine unerlaubte Handlung begeht und ihr daher zum Schadensersatz verpflichtet ist, ihr also die entbindungs- und geburtsbedingten Kosten zu ersetzen hat.[3] Das wirkt, wie wir sehen werden, bis heute nach.

[1] Eine detaillierte Darstellung des gemeinen Rechts mit Gerichtsfällen bei: Johann Jodocus Beck, Tractatus de eo, quod justum est circa stuprum – Von der Schwäch- und Schwängerung der Jungfern und ehrlichen Wittwen, Nürnberg 1743.
[2] Nachweise in: Motive zu dem Entwurfe eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, Bd. 4 Familienrecht, 1888, S. 912 f.
[3] Das bestreiten die Motive (a.a.O., S. 907), doch sehen sie den Anspruch auch nicht als Unterhaltsanspruch, sodass der eigentliche Charakter unklar bleibt ("gewöhnlicher Ersatzanspruch").

2. Verwandtenunterhalt

Das zweite Element – Verwandtenunterhalt – kam im BGB hinzu, als das Nichtehelichengesetz von 1969[4] einen minimalen, aber doch echten Unterhaltsanspruch der Mutter eines nichtehelichen Kindes einführte. Durch diese Reform wurde das Thema von § 1715 auf den neu geschaffenen § 1615l BGB verlagert und auch inhaltlich anders konzipiert. Nun ist von der Pflicht des Kindesvaters die Rede, der Mutter Unterhalt zu gewähren, von sechs Wochen vor bis acht Wochen nach der Geburt, darüber hinaus nur bei Vorliegen spezieller Voraussetzungen (§ 1615 Abs. 2 BGB), die zum Teil noch Anklänge an die Schadensersatztheorie enthalten. Im Prinzip war aber klargestellt, dass es um Unterhalt geht. Somit wurde in das BGB, das bisher nur Unterhalt zwischen Ehegatten und Verwandten kannte, ein neues Unterhaltsrechtsverhältnis eingeführt.

Es hätte folglich einer Regelung der einzelnen Modalitäten dieses Unterhaltsanspruchs bedurft (Maß des Unterhalts, Leistungsfähigkeit, Bedürftigkeit, Art des Unterhalts, Möglichkeit von Vereinbarungen etc.). Das war dem damaligen Gesetzgeber offenbar zu mühselig. Und so griff er zur berühmten Technik der Verweisung auf schon Geregeltes. Da eine Verweisung auf die Vorschriften des ehelichen oder nachehelichen Unterhalts nach dem Denken der damaligen Zeit nicht infrage kam, blieben die Regeln des Verwandtenunterhalts als Verweisungsziel übrig. Also bestimmte das Nichtehelichengesetz, dass auf den Unterhaltsanspruch der Mutter eines nichtehelichen Kindes die Regelungen des Verwandtenunterhalts "entsprechend anzuwenden" seien. So steht es noch heute in § 1615l Abs. 3 S. 1 BGB. Dass diese Verweisung problematisch ist, sollte die weitere Entwicklung zeigen.

[4] Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder vom 19.8.1969 (BGBl 1969 I, 1243).

3. Unterhalt in der Paarbeziehung

Das dritte Element – Unterhalt in der Paarbeziehung – kam erst im Jahr 2007 durch das Bundesverfassungsgericht ins Spiel.[5] Die Verfassungsrichter stellt...

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