zu I. Kindschaftsrecht in der Juristenausbildung

In Studium und Referendariat werden die Grundlagen für eine künftige Tätigkeit als Richter gelegt. Das deutsche System geht noch immer davon aus, dass der sog. Einheitsjurist als Universalist eine hinreichende Befähigung zur Ausübung des Richteramtes erwirbt. Für den Bereich der Familiengerichtsbarkeit gilt dies jedoch nicht. Denn zum einen wird das Familienrecht an den deutschen Universitäten oft nicht in der gebotenen Weise gelehrt. Einschlägig ausgewiesene Lehrstühle sind eine Seltenheit. Zum anderen gehört vor allem das Kindschaftsrecht auch im Referendariat nicht zum Pflichtstoff, vielmehr wird das Familienrecht im Allgemeinen nur besonders interessierten Referendaren mit der Möglichkeit zur Teilnahme an entsprechenden Arbeitsgemeinschaften auf freiwilliger Basis angeboten.

Diesem Dilemma der juristischen Ausbildung wird Vorschub geleistet durch die geltende, aber erst recht durch die von den Landesjustizministern künftig angestrebte Gestaltung der Anforderungen an die KandidatInnen der ersten staatlichen Prüfung bzw. des zweiten juristischen Staatsexamens: Danach soll künftig im staatlichen Teil der ersten Prüfung etwa das Recht der elterlichen Sorge nur noch hinsichtlich der Vertretungsfragen bzw. der Beschränkung der elterlichen Haftung in Grundzügen zum Pflichtstoff und im zweiten Staatsexamen das einschlägige Verfahrensgesetz (FamFG) nicht einmal mehr zum Prüfungsstoff gehören. Damit erhalten frisch ausgebildete Volljuristen die Befähigung zum Richteramt, ohne ein Basiswissen zum Familienrecht bzw. zum Kindschaftsrecht vorhalten zu können. In der Anwaltschaft wurde dieses Problem erkannt: Die Bezeichnung zum Fachanwalt für Familienrecht setzt intensive Erfahrungen in der Fallbearbeitung sowie den Erwerb der erforderlichen Erkenntnisse und stetige Fortbildungsbereitschaft voraus. In der Familiengerichtsbarkeit sollte eine Weiterbildung im Familienrecht, insb. Kindschaftsrecht, und Familienverfahrensrecht zwingend vorgeschaltet sein, bevor Aufgaben der Entscheidung über das Lebensschicksal von Kindern und Eltern übertragen werden.

zu II. Eingangsvoraussetzung für die Wahrnehmung des Richteramtes

Der Gesetzgeber hat im Jahr 1979 bereits erkannt, dass die "an Familien( … )gerichten tätigen Richter durch Aus- und Weiterbildung mit den Grundzügen der Pädagogik und Psychologie vertraut gemacht" werden sollten (vgl. BT-Drucks 8/2788, S. 42; BVerfGE 55, 171, 180). Voraussetzung für eine Tätigkeit am Familiengericht war daher zunächst eine dreijährige richterliche Erfahrung. Im Zusammenhang mit den Herausforderungen der Wiedervereinigung wurde diese Hürde erheblich abgesenkt: Seitdem genügt eine einjährige richterliche Tätigkeit. In der Praxis wird eine Vielzahl von jungen RichterInnen unmittelbar nach Ablauf eines Jahres im Familiengericht eingesetzt. Erfahrungen als RichterIn haben sie sehr häufig überhaupt nicht, wenn sie ihre erste Verwendung in der Staatsanwaltschaft hatten. Grundkenntnisse des Familien-, insbesondere des Kindschaftsrechts und des einschlägigen Verfahrensrechts – geschweige denn der außerjuristischen Bezüge –, haben sie in der Regel nicht. Anders als in anderen Rechtsgebieten kann die Rechtsmittelinstanz hier einen etwaigen Fehler der Vorinstanz häufig nicht korrigieren, denn die Tatsachen, die für die am Kindeswohl zu orientierende Entscheidung im Einzelfall von Relevanz sind, verändern sich stetig und die zwischenzeitlich eingetretenen Entwicklungen können nicht einfach wieder rückgängig gemacht werden. Ein "learning by doing" bzw. ein“training on the job“ bedeutet in Kindschaftssachen ein Degradieren von Kindern und Eltern zu Versuchspersonen eines "try and error". Auch aus diesem Grunde hat der Deutsche Bundestag die Bundesregierung aufgefordert, gemeinsam mit den Ländern einen Gesetzentwurf zu erarbeiten, mit dem angemessene Eingangsvoraussetzungen für FamilienrichterInnen eingeführt werden (BT-Drucks 18/6985). Ein entsprechender Entwurf steht nach wie vor aus.

Es besteht eine Verantwortung des Gesetzgebers, auch an der maßgeblichen Stelle zur Qualitätssicherung beizutragen. § 22 Abs. 6 GVG stellt beispielsweise für eine Tätigkeit als RichterIn in Insolvenzsachen seit dem 1.1.2013 eine hohe Hürde auf. Überträgt man diese auf FamilienrichterInnen, sollte § 23b Abs. 3 GVG dringend reformiert werden und in etwa lauten:

Zitat

"Die Abteilungen für Familiensachen werden mit Familienrichtern besetzt. Ein Richter auf Probe darf in den ersten drei Jahren nach seiner Ernennung Geschäfte des Familienrichters nicht wahrnehmen, es sei denn, er hat in der Ausbildung ausgewiesene Kenntnisse im Familienrecht erworben. Richter in Familiensachen sollen über belegbare Kenntnisse auf dem Gebiet des Kindschaftsrechts sowie über Grundkenntnisse der für das familiengerichtliche Verfahren notwendigen Teile des Kinder- und Jugendhilferechts und der Psychologie, Pädagogik und sozialen Arbeit verfügen. Die Kenntnisse sind vor der Übertragung von Aufgaben als Familienrichter zu erwerben."

zu III. Besetzung der Familiensenate am Oberlandesgericht

In den meisten Bundesländern ist nicht gewährleistet, dass die in den Familiensenaten der O...

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