Offen hat der BGH auch gelassen, ob die Entscheidung ebenso ausgefallen wäre, wenn keiner der Wunscheltern mit dem Kind genetisch verwandt wäre (Rn 53). Der EuGHMR hat in der Zwischenzeit mit dem Fall Paradiso und Campanelli eine derartige Situation zu entscheiden gehabt:[13] Ein italienisches Ehepaar hatte von einer russischen Leihmutter ein Kind übernommen, das mit keinem der Wunscheltern genetisch verwandt, in Russland aber als Kind der Wunscheltern in die Geburtsurkunde eingetragen worden ist. Das Kind stammte genetisch wahrscheinlich von der russischen Leihmutter ab. Nach Ansicht des EuGHMR verletzte der italienische Staat das Recht des Kindes auf eine Familie nach Art. 8 EMRK, als er dieses den Wunscheltern wegnahm und ohne rechtliche Identität ließ. Der italienische Staat hat sich zwar nach Ansicht des EuGHMR noch im Rahmen des ihm zugebilligten Ermessensspielraums gehalten, soweit er das nach italienischem Recht verbotene Verhalten der Wunscheltern durch Versagung ihrer Elternposition sanktionierte. Nicht aber darf er auf diese Weise die Interessen des Kindes missachten, das mit diesen seinen Wunscheltern in einer de facto-Familie gelebt hat. In der vom BGH offengelassenen Fallkonstellation stellt der EuGHMR also ebenfalls das Kindeswohl in den Mittelpunkt. Dies gilt sowohl für die faktische Betreuung[14] wie auch für die Notwendigkeit einer rechtlichen Zuordnung.
Diese Festschreibung der Orientierung der ordre public-Erwägungen am Kindeswohl durch den BGH und die Bedeutung des Kindeswohls nach Art. 8 EMRK in der Rechtsprechung des EuGHMR dürften für die Zukunft in allen Fällen der medizinisch-assistierten Zeugung im Ausland Bedeutung haben, in denen das Kind bereits geboren, von einer eventuell eingeschalteten Leihmutter freiwillig abgegeben und aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung im jeweiligen Ausland den Wunscheltern als Eltern zugeordnet worden ist. Dies gilt gleichermaßen für heterosexuelle wie für gleichgeschlechtliche Wunschelternpaare. Der BGH hat nicht gefordert, dass es sich bei der ausländischen Gerichtsentscheidung um eine konstitutive handeln muss (Rn 22). Auch rein deklaratorische Gerichtsentscheidungen sind der Anerkennung nach § 108 FamFG zugänglich.[15]
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