Wer als Unterhaltsberechtigter eine ("zutreffende, begründete, berechtigte") Strafanzeige gegen den Unterhaltsverpflichteten erstattet, also keine falschen Tatsachen vorträgt, aus den vorgetragenen Tatsachen keinen falschen Verdacht herleitet, sich insbesondere (nur oder im Wesentlichen) auf den gegnerischen Vortrag im Familienrechtsverfahren stützt und keine Formalbeleidigung ausspricht, für diesen sich in keinerlei Hinsicht strafbar machenden Unterhaltsberechtigten kann – obwohl die Klippe der Nr. 3 erfolgreich umschifft ist – nach ganz herrschender Meinung trotzdem eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs eintreten, und zwar

bei "mutwilligem Hinwegsetzen über schwerwiegende Vermögensinteressen des Verpflichteten" (Nr. 5) oder
bei Tangierung anderer Interessen nach Nr. 7, wenn "dem Beschuldigten ein offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig bei ihm liegendes Fehlverhalten gegen den Verpflichteten zur Last fällt".

Eine solche Strafanzeige liegt im Ansatz auf derselben Linie, wie etwa das Anschwärzen des Ehegatten beim Arbeitgeber durch Vortrag wahrer Tatsachen[19] oder die Nichtausübung etwa des Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrechts mit negativen Folgen für den Ehegatten:[20] Beides ist als solches legal, aber wegen des Nachwirkens der "ehelichen Loyalität" unterhaltsschädlich, wenn es bei Nr. 5 "mutwillig" oder bei Nr. 7 ein "offensichtliches, eindeutig bei ihm (dem Unterhaltsberechtigten) liegendes Fehlverhalten" ist.

[19] Vgl. dazu etwa Büte, a.a.O., § 1579 Rn 26 u. Hollinger, a.a.O., § 1579 Rn 59 jeweils m.N. aus der Rspr.
[20] OLG Köln FamRZ 1995, 1580 (vgl. dazu auch Kogel, Anm. zu AG Aachen, FamRZ 1998, 747 und Schnitzler, a.a.O., Rn 208).

1. Begriffsbestimmung

Die Frage, wann ein Anzeigeerstatter "mutwillig" handelt oder wann eine Strafanzeige ein "eindeutig bei ihm liegendes Fehlverhalten" darstellt, ist indes nicht einfach zu beantworten:

Juristisch wird Mutwilligkeit i.S.d. § 1579 Nrn. 4, 5 BGB stets als "verantwortungsloses, mindestens leichtfertiges Verhalten" des Unterhaltsberechtigten[21] definiert – teilweise auch als "eine gesteigerte Leichtfertigkeit …, die auf bewusster Fahrlässigkeit beruht".[22] Die erste Formulierung hilft bei Strafanzeigen nicht weiter; die zweite Formulierung ist dogmatisch anfechtbar und im Übrigen wohl zu eng.
Nach allgemeinem Sprachgebrauch bedeutet "mutwillig":[23] "mit Absicht; aus Bosheit oder Leichtfertigkeit geschehend", was bei unrichtigen Strafanzeigen allein schon durch die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Unrichtigkeit begründet wird. Bei wahren Strafanzeigen bleibt die Alternative der "Bosheit", die mit dem "einseitig bei ihm liegenden Fehlverhalten" der Nr. 7 durchaus in Deckung gebracht werden kann.

Darüber hinaus ist zu fragen, wie viel für den Unterhaltspflichtigen durch die Strafanzeige "vermögensmäßig“ (Nr. 5) oder ggf. anderweitig ("ebenso schwerwiegend“ in Nr. 7) auf dem Spiel stand und ob wegen der Strafanzeige und ihrer Folgen "die Inanspruchnahme des Verpflichteten (zur Unterhaltszahlung) … grob unbillig wäre", "mithin das Billigkeits- und Gerechtigkeitsempfinden in grober Weise verletzt wird“.[24]"""

[21] Maurer, a.a.O., Rn 35.
[22] Erman-Graba, BGB, 13. Aufl., § 1579 Rn 23 unter Hinweis auf BGH FamRZ 2002, 23; ähnlich Hollinger, § 1579 Rn 58.
[23] Vgl. statt aller Bünting, Deutsches Wörterbuch.
[24] OLG Zweibrücken FamRZ 1989, 63, 64 unter Hinweis auf BGH FamRZ 1980, 981 u. FamRZ 1981, 140.

2. Mutwille und einseitiges Fehlverhalten bei wahrheitsgemäßen Anzeigen

Grundlage der Regelung des § 1579 BGB ist die Fortwirkung der ehelichen Loyalität: Was jedem Einzelnen recht und billig ist, wird dem (geschiedenen, zumindest aber getrennt lebenden) Ehegatten zwar nicht verwehrt, aber mit dem Wegfall oder der Reduzierung des Unterhalts sanktioniert. Dies kann vom Ansatz her auch durch die Erstattung einer wahrheitsgemäßen Anzeige geschehen – wie auch durch die Nichtgeltendmachung prozessualer Rechte und die wahrheitsgemäße Mitteilung an beliebige Dritte –, sofern sie nur mit schwerwiegenden materiellen oder immateriellen Nachteilen/Gefahren für den Unterhaltsverpflichteten verbunden ist und seine Inanspruchnahme auf Zahlung des Unterhalts "grob unbillig" wäre. Lässt man diese weiteren Voraussetzungen einmal unerörtert, kommt es zunächst ganz entscheidend darauf an, wann eine Strafanzeige "mutwillig" ist oder ein "einseitiges Fehlverhalten" darstellt.

Nach herrschender Meinung in Literatur und Rechtsprechung soll ein solcher Fall – unabhängig von der Wahrheit, Begründetheit oder Berechtigung der Strafanzeige – dann vorliegen, wenn der Unterhaltsberechtigte aus Rachsucht handelt,[25] die Anzeige "nur den Sinn hat, dem Betroffenen zu schaden,[26] oder sein Verhalten durch Hartnäckigkeit und besondere Intensität gekennzeichnet ist.[27] In der eingangs dargestellten prozessualen Ausgangssituation handelt der Unterhaltsberechtigte aber nicht aus Rache, er will sich strafprozessual auch nicht hartnäckig und besonders intensiv betätigen, sondern nur den gegnerischen Parteivortrag einer strafrechtlichen Ahnung zuleiten, was immerhin sein ...

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