Die Literatur hat das Kriterium der "Wahrnehmung berechtigter Interessen" weitgehend als entscheidend für die unterhaltsrechtliche Unschädlichkeit "berechtigter, begründeter, zutreffender" Strafanzeigen übernommen: Strafanzeigen müssen also vom Tatsachenvortrag und vom Vorwurf her strafrechtlich in Ordnung gehen; sie müssen sich zusätzlich familienrechtlich "als Wahrnehmung berechtigter Interessen darstellen":

Büttner:[35] "Aber auch sachlich zutreffende Strafanzeigen, bei denen ein berechtigtes Interesse an der Strafanzeige fehlt, können sich als schwerwiegende Verletzung der Loyalitätspflicht im Unterhaltsschuldverhältnis darstellen. … Bei Strafanzeigen wegen Verletzung der Unterhaltspflicht … ist dagegen regelmäßig ein berechtigtes Interesse zu bejahen, wenn trotz Mahnung nicht gezahlt wurde."
Caspary:[36] "Generell gilt, dass im Hinblick auf den Verwirkungseinwand eine Anzeige dann unproblematisch ist, wenn der Mandant damit eigene berechtigte Interessen verfolgt."
Gerhardt:[37] "Kein mutwilliges Verhalten liegt vor, wenn die Strafanzeige zur Wahrnehmung berechtigter Interessen erfolgt ist. Nr. 5 ist deshalb nicht gegeben bei der Erstattung einer Strafanzeige wegen Unterhaltspflichtverletzung, es sei denn, es liegt ein Fall von falscher Anschuldigung vor. … Entsprechendes gilt bei Mitteilungen gegenüber Behörden. … Ein mutwilliges Verhalten ist ferner nicht gegeben, wenn die Anzeige wegen Steuerhinterziehung zur Wahrnehmung berechtigter Interessen erfolgt. Letzteres liegt insbesondere vor, wenn sich zunächst der Pflichtige über die eheliche Solidarität hinweggesetzt hat, indem er im Unterhalts- und/oder Zugewinnverfahren Einkünfte oder Vermögen verschwiegen hat."
Hohloch:[38] "Entscheidend sind bei einer solchen Strafanzeige, die den ehelichen Lebensbereich nicht berührt, der Wahrheitsgehalt der Behauptung und die Wahrnehmung berechtigter Interessen."
Hollinger:[39] "Die Wahrnehmung berechtigter Interessen schließt Mutwilligkeit regelmäßig aus."
Klein:[40] "Trägt ein Ehepartner im Rechtsstreit über den Ehegattenunterhalt einen Sachverhalt vor, der geeignet ist, den in Anspruch genommenen Ehegatten der strafrechtlichen Verfolgung wegen Steuerhinterziehung durch sog. "Schwarzgeldeinnahmen" zu belangen, dient dies der Wahrnehmung berechtigter Interessen und führt nicht zur Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs wegen grober Unbilligkeit."
Maurer[41] nennt "Strafanzeigen" mit Nachweisen in Fn 163 wegen Waffenbesitzes und Steuerhinterziehung als Beispiele für Fälle des § 1579 Nr. 5 mit der Einschränkung: "Wegen der Verfolgung eigener berechtigter Belange reicht jedoch eine Strafanzeige wegen Unterhaltspflichtverletzung nicht aus, es sei denn, sie beinhalte eine falsche Anschuldigung."
Schnitzler:[42] "Es kommt entscheidend darauf an, ob die Anzeige in Wahrnehmung berechtigter Interessen erfolgt."
Soyka:[43] "Kein mutwilliges Verhalten liegt vor, wenn die Anzeige zur Wahrnehmung berechtigter Interessen erfolgt ist."
[35] A.a.O. § 1579 Rn 43 f.
[36] A.a.O. S. 368.
[37] A.a.O. Rn 1326–1328 m.N.
[38] In NK-BGB, 2. Aufl., § 1579 Rn 56.
[39] A.a.O. Rn 133.
[40] A.a.O. § 1579 Rn 101.
[41] A.a.O., § 1579 Rn 36.
[42] FPR 2006, 376, 378: "Eine begründete Strafanzeige kann ehewidrig und damit Grundlage für eine Verwirkung sein, wenn es der unterhaltsberechtigten Ehefrau gleichgültig sein kann, ob das Delikt, um welches es geht, strafrechtlich geahndet wird, weil sie selbst mit dem verletzten Rechtsgut in keiner Beziehung steht. In diesen Fällen, den ehelichen Bereich nicht berührenden Straftaten, darf man annehmen, dass die eheliche Loyalität verlangt, sich nicht zum denunzierenden Verfolger aufzuwerfen. Typisch ist die Anzeige wegen Steuerhinterziehung."
[43] PWW-Weinreich, § 1579 Rn 1; fast gleichlautend Zischka, a.a.O., Rn 36: "Eine Strafanzeige ist dann nicht mutwillig, wenn sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen erfolgt."

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge