Familienpsychologische Begutachtung unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von anderen Begutachtungen. Erfahrungen aus anderen forensischen Begutachtungsgebieten sind daher nicht eins zu eins auf das Familienrecht zu übertragen und bergen zudem eine Reihe von Schwierigkeiten für den Sachverständigen, die einer fachlichen Diskussion bedürfen.

Im Familienrecht sind genau genommen nicht Sorgerechtsfragen zu regeln, sondern persönliche Beziehungen. Diese Beziehungen sind in der Regel emotional stark besetzt. Oftmals sind eine Reihe von Beratungen, Versöhnungsversuche, Therapie, Mediation, Bestellung eines Verfahrensbeistands u.a. zur Konfliktbeilegung vorausgegangen, unter Umständen mit neuen Kränkungen und Verletzungen verbunden, ehe der Sachverständige eingeschaltet wurde. Auf dem Sachverständigen lasten dann oftmals hohe Erwartungen, den Konflikt zu lösen.

Nicht nur inhaltlich unterscheiden sich Psychologie und Recht. Der Familienrichter muss sich an Kindeswohlgrenzen halten, die entweder erfüllt oder nicht erfüllt sind und die bei Erreichen eine Entscheidung notwendig machen, während der Psychologe eher einem dynamischen Denken den Vorzug gibt, da Grenzen immer wieder von unterschiedlichen Kriterien und Lebensaspekten bestimmt sind und in der Regel nicht zeitlich überdauernd und starr verlaufen.

Deshalb verstehen sich beide Berufsgruppen nicht immer. Auch die Aufgabe der Parteivertreter, die Interessen seiner Mandanten vertreten zu müssen, deckt sich nicht unbedingt mit den Kindeswohlüberlegungen des Sachverständigen.

Im Gegensatz zu allen anderen forensischen Fragestellungen kann durch § 163 Abs. 2 FamFG der Auftrag des familienrechtspsychologischen Sachverständigen erheblich erweitert werden. Der Sachverständige soll nun nicht nur Befunde feststellen und bewerten, wie dies die ZPO oder Strafprozessordnung für den Sachverständigen vorsehen, sondern aktiv in das Geschehen eingreifen und verändernd auf die Beteiligten einwirken. Dieser Hinwirkungsauftrag wird weder genau präzisiert, noch werden Anforderungen und Kriterien für das sachverständige Handeln vorgegeben.

Zudem wird im familienrechtlichen Verfahren eine Familie – also ein System – begutachtet und nicht, wie es für die meisten anderen forensischen Felder gilt, eine Einzelperson. Damit sieht sich der Sachverständige einer Vielzahl von Variablen gegenüber, deren Bewertung in den seltensten Fällen wissenschaftlich exakt zu begründen ist. Gleichwohl besteht der notwendige Anspruch, dass der Sachverständige eine Empfehlung abgibt und diese auch zu belegen und nach objektivierbaren Kriterien zu hinterfragen ist.

Eine weitere Unterscheidung zu anderen forensischen Feldern bringen die unterschiedlichen Kindeswohlschwellen mit sich. Während die meisten anderen forensischen Fragestellungen nur eine Schwelle zum Maßstab haben, z.B. schuldfähig oder nicht, glaubhaft oder nicht, hat es der familienrechtspsychologische Sachverständige mit einer Reihe von unterschiedlichen Kindeswohlschwellen zu tun, bei deren Auslegung weder die Juristen und noch weniger die psychologischen Sachverständigen übereinstimmen müssen.

Zudem steht der familienrechtspsychologische Sachverständige in "Konkurrenz" zu den Voten anderer Verfahrensbeteiligter, sei es des Jugendamts, des Verfahrensbeistands und im Einzelfall des Umgangspflegers.

Neben den Klippen, die im Verhältnis Psychologie und Recht im familiengerichtlichen Verfahren begründet sind, können weitere Aspekte zur Kritik am Sachverständigen führen, die nicht durchwegs in der Verantwortung des Gutachters liegen.

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