Dr. Rainer Kemper 2011, 565 Seiten, 58 EUR, ZAP-Verlag

Besser als der Autor kann man das Ziel des Buches nicht beschreiben: "Dem Rechtsanwender einen Überblick über die Systematik, die Funktionsweise und die Prinzipien des neuen Rechts zu geben, um ihm die Chancen und Haftungsrisiken des neuen Versorgungsausgleichs vor Augen zu führen und ihm zu helfen, die Möglichkeiten des neuen Rechts auszunutzen und den Haftungsfallen auszuweichen" (Vorwort S. V). Und zutreffend weist er abschließend im Vorwort noch darauf hin, dass sich in der täglichen Praxis Fallgestaltungen herausstellen werden, die sich "der vorausschauenden Fantasie entziehen". Hinzufügen muss man hier aber, dass die Bewältigung neuer Fallgestaltungen nur möglich ist, wenn der Versorgungsausgleich systematisch erschlossen wird ergänzt durch verfahrensrechtliche Hinweise, denn eine Problemlösung setzt auch verfahrensrechtliche Kenntnisse voraus. Dass Kemper über diese praktische Erfahrung verfügt, beweist seine Kommentierung zum FamFG (Kemper/Schreiber: Familienverfahrensrecht, 2.Aufl. 2011, Verlag NOMOS). Auch seine Erfahrungen aus der Fachanwaltsausbildung haben Einfluss auf die Art der Darstellung, abstrakte und rein theoretische Abhandlungen fehlen und erleichtern damit das Verständnis.

Das Inhaltsverzeichnis erstreckt sich über 17 Seiten. Für die nächste Auflage wäre es wünschenswert, wenn die Grobgliederung, die in der Einleitung (S. 2–3) enthalten ist, vorangestellt würde. Wenn Kemper auf S. 6 ausführt, dass die bisherige Rechtspraxis der Bedeutung des Versorgungsausgleichs nicht entsprochen hat verbindet er damit offensichtlich die Hoffnung, dass die Neuregelung auf größeres Verständnis stoßen wird. Die weiteren Ausführungen zu den existenzsichernden Aspekten und die Fragen, die auch die Allgemeinheit betreffen (insbesondere S. 7) sind zutreffend, lassen aber auch erkennen, dass Kemper auch beim neuen Ausgleichssystem kaum Hoffnung hat, dass diese existenziellen Fragen in Zukunft mehr in den Fokus des Interesses gelangen werden.

Die Schnittstellen zum Güterrecht (S. 29) sind sehr knapp. Die Probleme, die beim Erwerb von Versorgungsanrechten durch Einsatz von Vermögen bei bestehender Gütertrennung (Diskussion der Doppelverwertung, vgl. BGH FamRZ 2008, 761; aktuell BGH FamRZ 2011, 877 m. Anm. Hoppenz S. 879; Anm. Ruland in FamFR 2011, 248) entstehen können, finden keine Erwähnung. Bei der Schnittstelle zum Unterhalt (S. 30) ist das gewählte Beispiel kaum erhellend für die Problematik der Doppelverwertung.

Der Praxis kommt die Übersicht auf S. 43–47 durch die alphabetische Aufzählung der im Gesetz verwandten Begriffe, ihrer Bedeutung und Aufzeigen der jeweiligen Fundstelle entgegen. Obwohl das VersAusglG nicht sehr umfangreich ist, erleichtert die Übersicht das schnelle Auffinden. Die Grundstrukturen und die Aufgabenverteilung im Recht des Ausgleichs werden sehr kompakt und zutreffend auf den Seiten 33–60 dargestellt und sind deshalb einer sehr intensiven Lektüre empfohlen. Die hier dargestellten Grundsätze ermöglichen überhaupt erst die Behandlung der Detailfragen, also welche Anrechte einzubeziehen sind, die Bewertung derselben und auch die Möglichkeit der Korrektur durch Vereinbarungen, die dann im Kapitel VII ausführlich besprochen werden, einerseits und Amtsentscheidungen andererseits. Im Rahmen dieser Darstellung werden auch die verfahrensrechtlichen Grundlagen angesprochen, so z.B. die Pflicht zur Verwendung von Vordrucken (§ 220 FamFG), soweit sie vom Gericht übersandt werden, sofern die Auskunft nicht maschinell erstellt wird. Nicht zutreffend ist es, wenn (S. 96) die abgedruckten Formulare dem Darmstädter Kreis zugeordnet werden. Es handelt sich um Vordrucke, die von der Justiz bundesweit eingeführt (übrigens schon 1977) und auf das neue Verfahrensrecht durch eine Arbeitsgruppe beim Justizministerium Baden-Württemberg abgeändert wurden (FormB FA-FamR/Friederici, 2.Aufl., Kap. 8 Rn 42).

Vereinbarungen werden im Kapitel VII mit praktischen Beispielen dargestellt. Gleich zu Beginn (S. 167) wird zutreffend hervorgehoben, dass es gefährlich ist, durch Vereinbarung auf den schuldrechtlichen Ausgleich zu verweisen, denn selbst wenn das jeweilige Anrecht eine Hinterbliebenenversorgung vorsieht, entfällt diese aufgrund der Regelung in § 25 Abs. 2 VersAusglG. Mit seiner Ansicht, dass der Beginn der Ehezeit durch Vereinbarung vorverlegt werden kann (S. 170) überrascht Kemper, denn § 3 VersAusglG enthält eine Legaldefinition der Ehezeit (Versorgungsausgleich in der gesetzlichen Rentenversicherung, DRV Bund, 9.Aufl., S. 111) und eine Ausweitung derselben hätte auch kaum zu beherrschende Auswirkungen auf die Abgrenzung zum Güterrecht. Nur im Rahmen einer Gesamtvereinbarung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 VersAusglG kann die Abgrenzung durchbrochen werden, eine Einbeziehung von Anrechten, die nicht in der gesetzlichen Ehezeit erworben wurden, setzt hinsichtlich der Vorsorgeanrechte dann aber die Zustimmung des Leistungsträgers voraus (§ 8 Abs. 2 VersAusglG).

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