BGB § 1361 Abs. 1, 2

 

Leitsatz

1. Einen unter Depressionen leidenden Unterhaltsgläubiger trifft die Obliegenheit, alle zumutbaren Mitwirkungshandlungen zu unternehmen, um seine Krankheit behandeln zu lassen. Im Rahmen der zu fordernden Bemühungen um einen Therapieplatz reicht es nicht aus, sich überwiegend telefonisch an den Therapeuten zu wenden, auf den Anrufbeantworter zu sprechen bzw. auf einen Rückruf zu warten und sich darüber hinaus auch an den Hausarzt oder die Krankenkasse zu wenden.

2. Für einen Unterhaltsgläubiger, von dem nach Ablauf des Trennungsjahres die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit als Pförtner, im Wachdienst oder als Hausmeister erwartet werden kann, kann ein Durchschnittslohn von 9,40 EUR/Stunde = 1.635,00 EUR/Monat angesetzt werden.

3. Krampfadern hindern die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Regelfall nicht.

4. Zu den Zinseinkünften nach Verkauf des gemeinsamen Hauses.

(Leitsätze des Einsenders)

OLG Hamm, Urt. v. 13.2.2012 – II-6 UF 176/11 (AG Dortmund)

Gründe:

I. Der Kläger begehrt die Zahlung von Trennungsunterhalt.

Die Parteien haben am 3.8.1989 die Ehe geschlossen. Aus der Ehe sind keine Kinder hervorgegangen. Seit dem 1.8.2008 leben die Eheleute getrennt.

Der Kläger, geboren am … 1954, arbeitet derzeit nicht. Er hat eine abgeschlossene Ausbildung als Bauzeichner. Ein Studium des Industriedesigns hat er bereits 1986 aufgegeben, also noch vor der Ehe. In der Folgezeit hat er in der ärztlichen Praxis der Beklagten ausgeholfen.

Die Beklagte betreibt eine allgemeinmedizinische Praxis.

Die Parteien schlossen am 29.1.2009 vor dem Amtsgericht – Familiengericht – einen Vergleich, wonach die Beklagte an den Kläger einen monatlichen Trennungsunterhalt in Höhe von 2.300,00 EUR zahlt. Die Parteien waren sich darüber einig, "dass der Trennungsunterhalt zunächst nur bis einschließlich Juli 2009 bezahlt wird". Des Weiteren wurde Einigkeit darüber erzielt, dass die Beklagte bis zur Rechtskraft der Scheidung die Kosten der Krankenversicherung des Klägers übernimmt.

Zwischen den Parteien ist ein Scheidungsverfahren anhängig. Der Scheidungsantrag ist der hiesigen Beklagten am 20.4.2009 zugestellt worden.

Die Parteien waren Miteigentümer einer Immobilie, in der sich die eheliche Wohnung sowie die ärztliche Praxis der Beklagten befanden. Das Grundstück wurde zwischenzeitlich verkauft und der Erlös von 270.000,00 EUR im Dezember 2011 hälftig aufgeteilt.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Zahlung von Trennungsunterhalt ab August 2009.

Der Kläger hat zunächst behauptet, dass er wegen einer Nervenerkrankung am Arm nicht arbeitsfähig sei. Im Rahmen der Untersuchungen sei dann festgestellt worden, dass sich eine reaktive Depression entwickelt habe.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ab August 2009 monatlich im Voraus bis zum 3. eines Monats einen Elementarunterhalt in Höhe von 1.664,92 EUR und zusätzlich Altersvorsorgeunterhalt in Höhe von 526,55 EUR, zusammen also (gerundet) 2.190,00 EUR an ihn zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, dass der Kläger vollschichtig arbeiten könne.

Das Amtsgericht hat zur Frage der Erwerbsfähigkeit des Klägers zwei Sachverständigengutachten eingeholt.

Der Arbeitsmediziner Dr. F. kam in seinem Gutachten vom 27.1.2010 zu dem Ergebnis, dass der Kläger über 8 Stunden täglich eine körperlich zumindest mittelschwere, vielleicht sogar schwere Tätigkeit ausüben könne. Es sollten nur solche Arbeiten vermieden werden, die eine volle beidhändige Sensibilität erfordern.

Der Arzt für Psychiatrie und Neurologie Dr. H. stellte in seinem Gutachten vom 13.9.2010 beim Kläger eine mittelgradige depressive Episode fest. Diese sei reaktiver Natur, also im Wesentlichen durch die Trennungssituation bedingt (Anpassungsstörung). Die Arbeitsunfähigkeit des Klägers sei durch die Erkrankung eingeschränkt. Aus nervenärztlicher Sicht sei er nur in der Lage, geistig einfache Tätigkeiten unterhalb seines Ausbildungsstandes halbschichtig auszuführen.

Das Amtsgericht hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger für den Zeitraum bis Juli 2011 einen Unterhaltsrückstand von 22.641,00 EUR zu zahlen, sowie ab August 2011 einen monatlichen Trennungsunterhalt in Höhe von 1.980,00 EUR. Das Amtsgericht ist davon ausgegangen, dass dem Kläger ein fiktives Einkommen in Höhe von 700,00 EUR im Monat zuzurechnen sei. Das Gericht folgte dem Sachverständigen Dr. H., wonach der Kläger eine halbschichtige Tätigkeit ausüben könne. Da er seinen erlernten Beruf über einen langen Zeitraum nicht ausgeübt habe, sei er als ungelernter Arbeiter zu behandeln.

Bei der Beklagten ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass sie ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 4.557,00 EUR erzielt. Insoweit hat das Amtsgericht sich auf ein Sachverständigengutachten gestützt, das im Rahmen des Scheidungsverfahrens eingeholt wurde.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.

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