1. Grundsatz

Die elterliche Sorge umfasst gemäß § 1626 Abs. 1 S. 2 BGB die Personen- und die Vermögenssorge und in beiden Bereichen sowohl die tatsächliche Sorge als auch die rechtliche Vertretung des minderjährigen Kindes. Letztere ist in § 1629 BGB geregelt, der in Abs. 1 S. 1 bei gemeinsam sorgeberechtigten Eltern vom Grundsatz der Gesamtvertretung ausgeht. § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB sieht demgegenüber vor, dass der Elternteil, der das Kind in seiner Obhut hat, zur alleinigen Vertretung im Unterhaltsverfahren des Kindes gegen den anderen Elternteil berechtigt ist. § 1629 Abs. 3 BGB enthält eine Sonderregelung für verheiratete Eltern, zwischen denen eine Ehesache anhängig ist oder die getrennt leben. Der Elternteil, der das Kind in seiner Obhut hat, vertritt dieses nicht nur allein, er muss den Unterhaltsanspruch des Kindes gegen den anderen Elternteil sogar im eigenen Namen geltend machen, ein Fall der gesetzlichen Verfahrensstandschaft.

2. Obhut

Beide Regelungen stellen auf die Obhut ab. Obhut bedeutet tatsächliche Fürsorge für das Kind und Befriedigung seiner elementaren Bedürfnisse durch Pflege, Verköstigung, Gestaltung des Tagesablaufs, Erreichbarkeit bei Problemen und emotionale Zuwendung. Entscheidend für den Begriff der Obhut ist, wer sich überwiegend um Betreuung und Erziehung des Kindes kümmert, wobei es auf die tatsächlichen Verhältnisse ankommt.[3] Konsens besteht, dass sowohl ein längerer Ferienaufenthalt bei dem anderen Elternteil[4] als auch eine zweitweise Unterbringung bei Dritten ein bestehendes Obhutsverhältnis unberührt lässt. Etwas anderes gilt allerdings, wenn die Eltern die Betreuung des Kindes im Wechsel übernehmen.

[3] BGH FamRZ 2014, 917 m. Anm. Schürmann.

3. Denkbare Betreuungsmodelle und Konsequenzen für die Vertretungsbefugnis

§ 1629 BGB legt – wie andere kindschaftsrechtliche Vorschriften auch[5] – das sogenannte Residenzmodell zugrunde. Nach diesem Betreuungsmodell hat das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt überwiegend bei einem Elternteil und pflegt mit dem anderen Elternteil Umgang. Nach Trennung der Eltern sind allerdings zwei weitere Betreuungsmodelle für ein Kind denkbar: Bei einem Wechselmodell hält sich das Kind in gleich langen Zeitspannen abwechselnd bei beiden Eltern auf und diese tragen gleichermaßen Erziehungsverantwortung. Bei dem Nestmodell bleibt hingegen das Kind in einer Wohnung und die Eltern wechseln sich in der Betreuung des Kindes in dieser Wohnung ab.[6]

Bei dem Residenzmodell befindet sich das Kind in der Obhut eines Elternteils im oben dargestellten Sinn, so dass dieser Elternteil nach § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB zur Alleinvertretung im Unterhaltsverfahren gegen den anderen Elternteil befugt ist bzw. als Verfahrensstandschafter nach § 1629 Abs. 3 BGB auftreten muss. Diese Vertretungsregelung wird ergänzt durch die Regelung des § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB, nach der der betreuende Elternteil seine Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Kind durch die von ihm geleistete Betreuung erfüllt, während der andere die notwendigen Barmittel aufbringt. Befindet sich das Kind allerdings abwechselnd und in gleichem Umfang in der Obhut beider Eltern, greift die Regelung des § 1629 BGB zur Alleinvertretung mangels Obhut nur eines Elternteils nicht ein. Damit bleibt es bei dem Grundsatz der Gesamtvertretung gemäß § 1629 Abs. 1 S. 1 BGB. Da der auf Unterhaltszahlung in Anspruch genommene Elternteil in dem gegen ihn geführten Verfahren allerdings nicht zugleich sich selbst und das antragstellende Kind vertreten kann (§§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1795 BGB), muss für das Kind ein Ergänzungspfleger gemäß § 1909 BGB bestellt werden.

[5] Vgl. etwa §§ 1684, 1687 BGB.
[6] Völker/Clausius, Das familienrechtliche Mandat, Sorge- und Umgangsrecht, 6. Aufl., § 1 Rn 319.

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