Bevor Ehegatten sich nach dem Scheitern der Ehe in einen Streit um die Frage stürzen, wer von ihnen im Innenverhältnis für eine Gesamtschuld aufzukommen hat, sollten sie sich Gedanken darüber machen, ob überhaupt im Außenverhältnis wirksam eine gesamtschuldnerische Mithaftung i.S.d. § 421 BGB begründet worden ist. Dazu ein Fall aus der jüngeren Rechtsprechung des BGH:[1]

 
Praxis-Beispiel

Ehemann M hatte mit dem Energieversorger V einen Stromlieferungsvertrag für die Ehewohnung geschlossen. Einige Zeit später hatten die Eheleute sich getrennt. Die Ehefrau F war ausgezogen, M war wohnen geblieben. Nachdem M mehrere Rechnungen nicht bezahlt hatte, kündigte V den Vertrag und nahm mit der Schlussrechnung beide Ehegatten in Anspruch. Die Frage war: Haftet auch F?

Auf den ersten Blick wäre man vielleicht geneigt zu sagen: Nein, F haftet nicht, denn sie war ja am Vertragsschluss nicht beteiligt und M hat auch nicht zugleich in Vertretung für sie gehandelt. Doch ist die Begründung einer gesamtschuldnerischen Haftung durch Rechtsgeschäft nur eine Möglichkeit. Die andere Möglichkeit ist, dass eine solche Haftung kraft Gesetzes begründet wird. Und ein Fall der gesetzlich begründeten Gesamtschuld ist das sog. Schlüsselgewaltgeschäft (§ 1357 BGB). Das Schlüsselgewaltgeschäft, auch Bedarfsdeckungsgeschäft genannt, ist ein Geschäft, das ein Ehegatte tätigt und das der Deckung des angemessenen Lebensbedarfs der Familie dient. Ein solches Schlüsselgewaltgeschäft ist der Abschluss eines Energieversorgungsvertrages betreffend die Ehewohnung durch einen Ehegatten. Die dahingehende Rechtsauffassung des Berufungsgerichts hat der BGH im entschiedenen Fall zu Recht nicht in Zweifel gezogen.

Zu beantworten war nun aber die Frage, ob die Mithaftung der F durch ihren Auszug aus der Ehewohnung beendet worden ist. Die Antwort des BGH lautet, wiederum zu Recht: nein. Zwar setzt die Begründung einer gesamtschuldnerischen Mithaftung gemäß § 1357 Abs. 3 BGB voraus, dass die Ehegatten im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zusammen leben. Doch wird eine während des Zusammenlebens wirksam begründete gesamtschuldnerische Haftung nicht allein durch die Trennung beendet. Die Mithaftung besteht auch für solche Leistungen fort, die der Vertragspartner, hier der Stromversorger, nach der Trennung erbringt. F haftet also auch für Stromkosten, die nach ihrem Auszug angefallen sind.[2]

Das wirft die weitere Frage auf, wie F denn bei ihrem Auszug hätte sicherstellen können, dass sie für weitere Leistungen des Energieversorgers nicht mehr in Anspruch genommen werden kann. Ein Teil der Instanzgerichte hält dazu eine bloße Mitteilung an den Energieversorger über den erfolgten Auszug für ausreichend, andere meinen, der weichende Ehegatte müsse kündigen.[3] Beides erscheint mir fragwürdig. Insbesondere wird wohl auch kaum der die Ehewohnung verlassende Ehegatte durch alleinige Kündigung die mit dem anderen Ehegatten gemeinsam bestehende Bindung beendigen können. Man wird wohl eine gemeinsame Kündigung verlangen und deshalb den aus der Wohnung ausgezogenen Ehegatten, wenn es nötig ist, auf den Weg der Inanspruchnahme des in der Wohnung Verbliebenen auf Mitwirkung an der Kündigung verweisen müssen. Doch ist aus der anwaltlichen Praxis zu hören, dass dieser mühsame Weg meist nicht beschritten werden muss, weil die Energieversorger sich in der Regel mit der Mitteilung des Auszugs zufrieden geben würden. Wie dem auch sei: Mir ist vor allem wichtig darauf hinzuweisen, dass Sie als Anwälte, wenn Sie den Ehegatten vertreten, der aus der gemeinsam gemieteten Wohnung ausgezogen ist, handeln, nämlich dafür sorgen müssen, dass er vom Vertragspartner aus der Haftung entlassen wird. Und das gilt auch für Dauerlieferungsverträge anderen Inhalts.

Die Wirksamkeit der Mithaftung im Außenverhältnis ist, wie schon erwähnt, vor dem Innenverhältnis zu prüfen. Dazu besteht insbesondere in den Fällen Anlass, in denen ein wirtschaftlich nicht leistungsfähiger Ehegatte auf Verlangen der Bank in die Mithaftung für einen Kredit geht, an dem er kein eigenes Interesse und über dessen Verwendung er nicht zu bestimmen hat. Hier ist an die Rechtsprechung des BGH zur Sittenwidrigkeit der Inhaftungnahme finanziell krass überforderter Ehegatten zu denken.[4] Gegebenenfalls muss für die Enthaftung des vermögenslosen Ehegatten, genauer: für die Feststellung im Verhältnis zur Bank gesorgt werden, dass keine wirksame Mithaftung besteht.

[1] FamRZ 2013, 1199.
[2] Kritisch zu allem Stalinski, FamRZ 2013, 1933.
[3] Zusammenstellung der Rspr. bei Heinemann, FamRB 2013, 273.
[4] Überblick bei Wever, Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten außerhalb des Güterrechts, 6. Aufl. 2014, Rn 269 ff.

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