Nun könnte man meinen: Es müssen aus der Warte der potenziell Unterhaltsberechtigten doch auch positive Indikatoren zu finden sein! Wir denken an die Rechtsprechung des BVerfG und des BGH zur richterlichen Vertragskontrolle von ehebezogenen Rechtsgeschäften, die vor noch nicht langer Zeit die Aktien des Scheidungsunterhalts nach oben getrieben hatten. Wir erinnern uns, dass der BGH den Betreuungsunterhalt im nucleus der berühmten Kernbereichslehre angesiedelt hatte.

Doch bekanntlich ist der Kern am Schmelzen. Zwischen 2004 und 2008 hätte kaum ein Notar gewagt, einen Unterhaltsvertrag zu beurkunden, welcher der gegenwärtigen gesetzlichen Lage (in der Interpretation des BGH) entspricht. Heute misst der BGH sogar bei Altverträgen das Element der "evident einseitigen Lastenverteilung" am Maßstab des neuen, minimierend verstandenen § 1570 BGB.[64] Wenn dann überhaupt noch eine Korrektur veranlasst ist, muss nach Meinung des 12. Zivilsenats auch die anzuordnende Rechtsfolge im Lichte des neuen Unterhaltsrechts gesehen werden. Die Korrektur darf den benachteiligten Ehegatten nicht besser stellen als er ohne die vertragliche Regelung heute stünde.[65] Damit sind wesentliche Teile der Rechtsprechung zur richterlichen Kontrolle von ehebezogenen Verträgen brüchig geworden.

Man fragt sich: Was hat sich eigentlich zwischen 2004 und 2008 in der Gesellschaft so grundlegend verändert, dass eine derartige Umwertung gerechtfertigt wäre? Es ist nicht einmal ausgeschlossen, dass ein Vertrag, der 2004 sittenwidrig war, im Jahr 2008 als tadelsfrei erscheint: Die einseitige Lastenverteilung von gestern ist die gesetzliche Lastenverteilung von heute.

[64] BGH FamRZ 2011, 1377.
[65] BGH FamRZ 2011, 1377 Tz. 28.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge