Nach Wortlaut und Zweck dient die Vorschrift aber nicht der Korrektur systemimmanenter Unbilligkeiten, die durch die Anwendung des schematischen Zugewinnausgleichs entstehen können, sondern allein der Einzelfallgerechtigkeit.[39] Grundsätzlich ist die Vorschrift eng auszulegen. Grobe Unbilligkeit wird nicht definiert.

Die Kriterien des § 1381 Abs. 2 dienen nur als Typologisierung von Beispielfällen nach herrschender Meinung in absoluten Ausnahmefällen, in denen das rechnerische Ausgleichsergebnis dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widerspricht.[40]

Das Gesetz nennt in dem Absatz 2 beispielhaft Kriterien, anhand derer dies beurteilt werden kann. Auch können typologisch relevante Aspekte und Umstände zusammengestellt werden, doch bleibt die letzte Entscheidung immer Sache des Einzelfalls. Mit der Definition ("dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widerspricht“) wird die Schwelle für die Billigkeitsentscheidung heraufgesetzt.[41]"

Die grobe Unbilligkeit stellt auf Ergebnisse ab, die mit den Grundlagen des Zugewinnausgleichs in Widerspruch stehen und deshalb das Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise verletzen.[42] Darin liegt eine qualitative Verschärfung der Anforderung der einfachen Unbilligkeit. Das Leistungsverweigerungsrecht besteht demzufolge nur in Ausnahmefällen, in denen die Unbilligkeit des Ergebnisses nach Anlass und/oder Auswirkung besonders schwerwiegt.

Wenn das geltende Recht auch im ordentlichen gesetzlichen Güterstand eine gemeinschaftliche Berechtigung an beiderseitigen Vermögen nicht vorsieht, beruht doch der Zugewinnausgleich (ebenso wie der Versorgungsausgleich) auf der Vorstellung von einer wirklich gelebten Ehegemeinschaft mit arbeitsteilig-genossenschaftlichem Zusammenwirken, bei dem die Beiträge der Ehegatten grundsätzlich als gleichwertig angesehen werden. Grobe Störungen dieses Ehebildes im Einzelfall sind die Ansatzpunkte für eine Korrektur des schematischen Zugewinnausgleichs.[43]

Schwab ist der Auffassung, dass die Rechtsprechung des BGH zu eng sei.

Im Gesetz sei nicht die Rede davon, dass ein Leistungsverweigerungsrecht des Ausgleichsschuldners dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widersprechen müsse oder sich auf krasse Ausnahmefälle beschränke. Der Gesetzgeber erteilt dem Richter schlicht die Aufgabe, auf Erhebung der Einrede hin grobe Unbilligkeit zu vermeiden. Es erscheint problematisch, wenn sich Gerichte dieser Aufgabe unter Berufung auf das angebliche Wesen des Zugewinnausgleichs als starre schematische Regelung versagen. Nirgends stehe im Gesetz geschrieben oder sei methodisch herleitbar, dass systemimmanente Unbilligkeit für sich gesehen nicht genügten, um § 1381 BGB zum Zuge kommen zu lassen. Errechnetes ist gegenüber der Billigkeit nicht per se bestandssicherer als eine sonstige einfache Gesetzesanwendung. Beim Zugewinnausgleich geht es darum, bei Ende des Güterstandes die wirtschaftlichen Zuwächse, die während seiner Dauer erzielt wurden, gerecht und gleichberechtigt unter den Ehegatten zu verteilen.[44]

[39] Vgl. Palandt/Brudermüller, 73. Auflage 2014, zu § 1381 Rn 4; ähnlich im Übrigen Brudermüller, in: NJW 2010, 401–403; Kogel, FamRB 2010, 247, 250; FamRB 2012, 297; Reinken, FamFR 2013, 412 ff.; Jäger, FÜR 2005, 352 ff.; Groß, FÜR 2007, 175 ff.
[40] Vgl. NK/Fischinger, 3. Aufl. 2014, zu § 1381 Rn 1–4; ähnlich auch MüKo/Koch, 6. Aufl. 2013, zu § 1381 Rn 12/13.
[41] Vgl. ähnlich auch Staudinger/Thiele zu § 1381.
[42] Vgl. auch BGH FamRZ 1992, 787 = JuS 1993, 253 mit Anm. Hohloch.
[43] Kritisch zu dieser herrschenden Auffassung: Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, 7. Aufl. 2013, Kapitel VII, Rn 237 ff.
[44] Johansen/Henrich/Jäger, 5 Aufl. 2010 zu § 1381, Rn 3–5. Eine offene Haltung zur Handhabung auch von Jäger. Insofern ähnlich wie bei Schwab; kritisch auch Kogel, Strategien beim Zugewinnausgleich, 4. Aufl. 2013, Rn 1367 ff.; so auch Schröder, Der Zugewinnausgleich auf dem Prüfstand, FamRZ 1997, 1 (6); Herr, NZFam 2014, 1 ff.

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