Herbsttagung und Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht in Berlin (23.–25.11.2017)

Die Herbsttagung war diesmal schon Wochen vor Beginn ausgebucht. Mehr als 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren nach Berlin gekommen, um sich mit Kolleginnen und Kollegen zu treffen, mit ihnen Erfahrungen auszutauschen und sich über wichtige Themen zu informieren und fortzubilden. Dr. Katarina Barley, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, sprach ein Grußwort.

RAin Eva Becker, Vorsitzende der AG Familienrecht im DAV; Dr. Katarina Barley, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Großeltern im Visier

Das Bild von der stabilen Kernfamilie dominiert unser Status orientiertes Familienbild, Beziehungen zu dem übrigen Familienverband werden ausgeblendet. Es sei deswegen an der Zeit für einen Perspektivenwechsel, meinte Heinrich Schürmann, Vorsitzender Richter a.D. am OLG Oldenburg. Er will die Familie als das betrachten, was sie in Wirklichkeit ist: ein Generationen übersteigendes Netzwerk, in dem die Großeltern von jeher eine bedeutende Rolle spielten. An die Stelle des runzligen Alten im Lehnstuhl ist das Bild des unverändert agilen Siebzigjährigen getreten. Die deutlich verlängerte Lebenszeit verändert die Generationenbeziehung. Eine lange gemeinsame Lebensphase lässt viele Kinder alle vier Großeltern erleben. Auf der anderen Seite sorgt die abnehmende Geburtenrate dafür, dass es in manchen Familien mehr Großeltern als Enkelkinder gibt. Die den Großeltern zugewiesenen Rollen sind eher diffus, was auch daran liegt, dass die Altersspanne einer Großmutter oder eines Großvaters von 30 bis 120 Jahren reicht. Manche haben Enkel, die gerade geboren wurden, andere Enkel haben schon eine eigene Familie. Reproduktionsmedizin, Regenbogen- und Patchworkfamilien tragen ihren Teil dazu bei, dass aus vier vertrauten Großeltern auch mal mehr werden können.

VRiOLG a.D. Heinrich Schürmann

Die Rolle der Großeltern im familiären Beziehungsgeflecht

Wer sind die Großeltern, wenn das Kind eines Paares aus Spendersamen und gespendeter Eizelle gezeugt und von einer Leihmutter ausgetragen worden ist? Kinder aus künstlicher Befruchtung und Adoptivkinder gelten heute als ebenbürtige Kinder ihrer rechtlichen Eltern. Deren Eltern werden zu Großeltern, ein Ereignis, was diese gar nicht mehr erwartet hatten. Vielleicht sehen sie dem freudig entgegen, oder auch nicht, denn mancher steht solchen Wahlverwandtschaften reserviert oder geradezu feindselig gegenüber. Die bedeutende Rolle der Großeltern im Familiengefüge spiegelt sich im Familienrecht kaum wider. Im BGB tauchen die Großeltern nur als gesetzliche Erben auf. Seit 1998 wird ihnen immerhin ein Umgangsrecht mit den Enkeln eingeräumt, jedoch nur, wenn es dem Kindeswohl dient. Heinrich Schürmann lieferte zahlreiche Beispiele dafür, wie kompliziert das Beziehungsgeflecht sein kann. Schon die Eltern der mütterlichen und die der väterlichen Linie können völlig verschiedene Interessen vertreten. Großeltern von Elternpaaren spielen andere Rollen als die in Trennungsfamilien. Es gibt geschiedene Großeltern oder auch verwitwete Elternteile. Sind die Großeltern noch erwerbstätig oder im Ruhestand, haben sie ein Enkelkind oder viele Enkel, sind die Großeltern jung oder alt, sind sie gesund oder krank, arm oder wohlhabend? Wenn Großeltern bei der Kinderversorgung im Einsatz sind, wirft das rechtliche Probleme auf. Ein Mitspracherecht bei der Erziehung der Enkelkinder haben die Großeltern nicht. Treten sie in Konkurrenz zu den Eltern, können sie nur verlieren. Kommt es zu Konflikten, sollte eine außergerichtliche Lösung im Rahmen einer Familienberatung angestrebt werden. Wer als Betreuungsperson die Großmutter vorschlägt, sollte bedenken: Wer mit 70 Jahren einen fünfjährigen Enkel betreuen kann, wird mit 80 Jahren nicht unbedingt einen dann 15-jährigen Enkel bändigen können. Fragen, die aus den vielfältigen neuen Konstellationen auftauchen, werden beantwortet werden müssen, mahnte Heinrich Schürmann.

Das ganz besondere Verhältnis von Anwalt und Mandant

"Wie kommen Mandant und Anwalt ins Gespräch?" – Ein Thema, das die Sprachwissenschaftlerin Dr. Ina Pick aus Köln seit Jahren empirisch beleuchtet hat. Dazu hat sie zahlreiche Gespräche in Anwaltsbüros aufgezeichnet und ausgewertet. Ihre Ergebnisse trug sie jetzt in die Praxis zurück. Schnell wurde klar, wie schwierig es oft für die Mandanten ist, ihr Anliegen überhaupt verständlich zu machen, und wie unbeholfen die Anwälte mitunter darauf reagieren. Beispiel: "Also ich komme alleine nicht mehr klar", sagt die Mandantin, darauf der Anwalt: "Das kann ich mir vorstellen." Mit der analytischen linguistischen Brille schaute Ina Pick darauf, an welchen Stellen die Erstgespräche schief laufen. So sind viele Mandanten nicht in der Lage, ihr Ziel zu benennen. Die Anwälte hingegen bilden ein Ziel mental aus, reden aber nicht mit dem Mandanten darüber. Hinterher stellt sich heraus, dass es eine Diskrepanz zwischen den beiden Zielen ...

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