In der vorstehenden Entscheidung äußert sich der BGH erstmals zur Umgangspflegschaft nach § 1684 Abs. 3 S. 3–6 BGB n.F.:[1]

Fiat iustitia, et pereat infans?

Den vom OLG gebilligten Weg des AG, der in einer außerhäuslichen Unterbringung des Kindes gemündet ist, hat der BGH im Lichte der aus der Entscheidung hervortretenden Gegebenheiten zu Recht beanstandet. Maßnahmen nach § 1666 BGB, die mit einer Trennung des Kindes von seiner Familie verbunden sind, unterliegen strikter Verhältnismäßigkeitsprüfung. Demnach muss die Maßnahme zunächst zur Abwendung der – hier vom BGH im Ausgangspunkt nicht infrage gestellten – Kindeswohlgefährdung geeignet sein. Dies ist (auch) dann nicht der Fall, wenn gerade durch die getroffene Schutzmaßnahme eine neue Gefährdung entsteht, die bei Gesamtbetrachtung für das Kind nicht weniger schlimm ist. Diesbezüglich hat der BGH zutreffend angesichts der hohen Anforderungen, welche die – Art. 6 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG konkretisierenden – §§ 1666, 1666a BGB an die Sachverhaltsaufklärung stellen, ausreichend tiefgründige Ermittlungen, insbesondere auch zur mittelfristigen Perspektive der veranlassten Unterbringung des Kindes, vermisst. Auch deren Erforderlichkeit hat der BGH nicht als ausreichend festgestellt angesehen, weil die Maßnahme vorgenommen worden sei, um den Umgang sicherzustellen, ohne dies zuvor auf dem Weg der Umgangspflegschaft versucht zu haben, deren Einrichtung nicht von vornherein als offensichtlich aussichtslos angesehen werden könne. Dem ist im Ergebnis zuzustimmen, und zwar unabhängig davon, ob dieser Gedanke bei der Erforderlichkeit – die verfassungsrechtlich voraussetzt, dass die alternative, mildere Maßnahme auch gleich wirksam ist –[2] oder erst im Rahmen der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne zu verorten ist,[3] wenn die mildere Maßnahme zwar weniger wirksam, aber gleichwohl noch zur Abwendung der Kindeswohlgefährdung ausreichend ist.[4] Zwar mag sich die Erfolgsaussicht der Umgangspflegschaft in Ansehung der in der Entscheidung mitgeteilten Umstände – erfolglos verhängtes Ordnungsgeld, gescheiterter Versuch des Verfahrensbeistandes, einen vereinbarten Umgangstermin zu begleiten, vom Kind zu großen Teilen übernommener Wille der Mutter und Großmutter – nicht aufdrängen. Auch der Verweis des BGH darauf, der Verfahrensbeistand habe eine andere Funktion[5] und auch nicht die dem Umgangspfleger durch § 1684 Abs. 3 S. 4 BGB zugewiesenen Befugnisse, ist zwar zutreffend; doch bleibt auch diesem notfalls nur die (vom Gericht nach zutreffender h.A. amtswegig zu betreibende)[6] Vollstreckung des Umgangsrechts.[7] Indessen befindet sich das Kind vorliegend seit der Entscheidung des AG in einem Heim der Jugendhilfe. Unter Berücksichtigung der damit für die Mutter verbundenen intensiven Warnwirkung ist die Annahme überzeugend, dass die Bestellung eines Umgangspflegers nicht von vornherein mangels Erfolgsaussicht verworfen werden konnte und daher vor der mit besonders hoher Eingriffsintensität verbundenen Fremdunterbringung hätte versucht werden müssen.

Weitet man demgegenüber den Blick zu den praktisch häufigeren Fällen, in denen sich die Alternativen Umgangspflegschaft und Vollstreckung der Umgangsregelung gegenüberstehen, lässt sich eine Priorität der einen vor der anderen Maßnahme weder von Gesetzes wegen noch nach allgemeinen Grundsätzen ausmachen,[8] sondern ist einzelfall- und kindeswohlbezogen abzuwägen.

Verfassungsgemäßheit von § 1684 Abs. 3 S. 3 BGB n.F.?

Der BGH hat diese Norm vorbehaltlos in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen gestellt. Damit gibt er inzident zu erkennen, dass er sie für verfassungsgemäß hält. Die insoweit teilweise in der Literatur erhobenen Bedenken[9] sind nicht berechtigt. Die Umgangspflegschaft nach § 1684 Abs. 3 S. 3 BGB soll insbesondere Fälle erfassen, in denen der betreuende Elternteil das Umgangsrecht des anderen Elternteils in erheblicher Weise vereitelt.[10] Zu diesem Zweck ist die Eingriffsschwelle im Vergleich zum früheren Rechtsstand (§ 1666 BGB; jetzt noch aktuell für den Umgang nach § 1685 Abs. 1 und 2 BGB, siehe § 1685 Abs. 3 BGB) spürbar abgesenkt worden; entsprechend spricht der BGH in seiner Entscheidung vom Erfordernis einer "Kindeswohlbeeinträchtigung" (Rn 28; nicht: -gefährdung). Hiergegen ist verfassungsrechtlich nichts zu erinnern. Zwar bedeutet die Anordnung der Umgangspflegschaft einen teilweisen Sorgerechtsentzug (siehe hierzu nachfolgend 3.), mithin einen recht intensiven Eingriff in das Elternrecht des betreuenden Elternteils. Grundrechtsdogmatisch betrachtet wird aber nicht in den Vorrang der Eltern als Erziehungsträger eingegriffen, sondern erfolgt der Eingriff nur, um in Wahrnehmung des staatlichen Wächteramts aus Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG die Grundrechtspositionen der Eltern aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG zu einem bestmöglichen Ausgleich zu bringen.[11] Rein praktisch sollte auch nicht verkannt werden, dass der sorgeberechtigte Elternteil zur Überlassung des Kindes für die Dauer des Umgangs ohnehin bereits aufgrund des Umgang...

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