Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur konkreten Bedarfsbemessung besteht eine Vermutung, dass ein Familieneinkommen bis zur Höhe des Doppelten des höchsten in der Düsseldorfer Tabelle ausgewiesenen Einkommensbetrags vollständig für den Lebensbedarf verwendet worden ist.[50] Dem Unterhaltspflichtigen steht indes die Möglichkeit offen, die tatsächliche Verbrauchsvermutung zu erschüttern. Hierfür ist von dem Unterhaltspflichtigen nicht der volle Beweis des Gegenteils zu erbringen, denn auf tatsächliche Vermutungen, die nicht auf gesetzlicher Anordnung, sondern auf allgemeinen Erfahrungssätzen beruhen, findet § 292 ZPO keine Anwendung. Tatsächlichen Vermutungen wird lediglich eine Bedeutung bei der Beweiswürdigung in dem Sinne zugemessen, als sie einen Anscheins- oder Indizienbeweis für die behauptete Tatsache begründen können. An der Beweis- und Darlegungslast des Beweispflichtigen ändert sich hingegen nichts. Dabei wird der Anschein bereits durch den Nachweis der ernsthaften Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs entkräftet.[51] Dabei waren für das Oberlandesgericht im Wesentlichen zwei Gesichtspunkte maßgeblich. So spreche die von der Ehefrau ursprünglich vorgenommene konkrete Bedarfsermittlung und der von ihr mit einem Betrag von insgesamt 3.076 EUR bezifferte Elementarbedarf bereits eindeutig gegen die Annahme, die beteiligten Ehegatten hätten während der Ehe ein verfügbares Gesamteinkommen von 11.000 EUR im Monat verlebt. Weiter werde die tatsächliche Verbrauchsvermutung auch durch das von den Beteiligten während der Ehe geführte Haushaltsbuch erschüttert. In der Zeit von Januar 2004 bis einschließlich Dezember 2015, als dem der Trennung vorausgegangenen Jahr, hätten sie über die Einnahmen und Ausgaben der Familie mit großer Genauigkeit einen Haushaltsplan per Excel-Tabelle geführt, wie er in der Praxis der vorkommenden Unterhaltsstreitigkeiten selten anzutreffen sei.

[50] Vgl. BGH, Beschl. v. 25.9.2019 – XII ZB 25/19, NJW 2019, 3570 m. Anm. Born, NJW 2019, 3555 = FamRZ 2020, 21 m. Anm. Lies-Benachib = FF 2019, 495 m. Anm. Grandel, FF 2020, 78; BGH, Beschl. v. 15.11.2017 – XII ZB 503/16, NJW 2018, 468 m. Anm. Born = FamRZ 2018, 260 m. Anm. Seiler = FF 2018, 107 m. Anm. Graba.
[51] So OLG Hamm, Beschl. v. 23.4.2020 – 2 UF 152/19, NJW 2020, 3115 = FamRZ 2020, 1998 nur LS bespr. v. Riegner, NZFam 2020, 821.

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