Die Rolle und die Aufgabe des psychologischen Sachverständigen[1] im Familienrecht und vor allem sein Gewicht bei der gerichtlichen Entscheidung[2] geben immer wieder Anlass zu Diskussionen, sei es in der Fachliteratur,[3] aber ebenso vermehrt in den öffentlichen Medien und im Internet. Möglicherweise steht diese Entwicklung auch im Zusammenhang mit Veröffentlichungen zur Qualität von Sachverständigengutachten.[4]

Eine interdisziplinäre fachliche Diskussion bzgl. des Vorgehens des Sachverständigen ist notwendig, einerseits um den Qualitätsstandard weiter zu verbessern, andererseits um den Anforderungen der Rechtsprechung gerecht zu werden, aber auch um entsprechende Anpassungen an den aktuellen Forschungsstand und veränderte gesellschaftliche Bedingungen vorzunehmen. Allerdings steht bisher überwiegend der familienpsychologische Sachverständige im Kreuzfeuer der publizierten Kritik, wenig Beachtung fanden bislang kritische Diskussionen hinsichtlich der Qualitätsstandards bei psychologischen Gutachten in anderen forensischen Feldern z.B. nach § 1631b BGB.

Diese Fokussierung auf psychologische Gutachten im Familienrecht kann auf verschiedenen Gründen beruhen. Im Familienrecht werden sehr hohe Anforderungen an Fachwissen, Erfahrung,[5] aber vor allem an der formalen Darstellung der Gutachtensergebnisse erhoben.[6] Letztere sind allerdings oftmals in der Praxis nicht sinnvoll zu erfüllen oder haben kaum inhaltliche Relevanz. Fristsetzungen oder hochkonflikthafte Fallverläufe erhöhen dazu die Anforderungen an die familienrechtspsychologische Sachverständigentätigkeit.

Schon allein vor dem Hintergrund der Rolle des Sachverständigen, des Gewichts bei der gerichtlichen Entscheidung und den hohen Anforderungen an die Tätigkeit ist ein kritisches Auseinandersetzen bezüglich der Tätigkeit des familienrechtspsychologischen Sachverständigen im Verfahren sicher notwendig. Es werden zunehmend aber – neben dem Instanzenweg – andere Pfade beschritten, um familienpsychologische Sachverständige als Berufsgruppe, als Individuum oder deren Gutachten zu kritisieren, unabhängig davon, ob die Kritik berechtigt ist oder nicht. Dazu gehören neben dem verzerrten Informationsaustausch über den Ablauf einer Begutachtung im Allgemeinen oder den einzelnen Sachverständigen in Internetforen[7] und unredliche Beurteilung von Sachverständigenbüros oder einzelner Sachverständige auf Internetseiten, Rufschädigung, Beleidigungen bis hin zur persönlichen oder schriftlichen Bedrohung des Sachverständigen und vermehrter Beauftragung von sogenannten "Gegengutachten". Teilweise wird die Presse eingeschaltet[8] oder es erfolgen Eingaben, verbunden mit Diffamierungen bei Behörden sowie politischen Vertretern, z.B. dass Sachverständige einer geheimen Organisation oder der Scientology Church angehören oder unerlaubte Beziehungen zu Richtern pflegen, um Einfluss zu nehmen.[9] In den Texten wird nicht selten mit falschen Behauptungen die akademische Ausbildung in Frage gestellt. Den Sachverständigen werden zu Unrecht Rechtsbrüche unterstellt, z.B. Verletzungen des Datenschutzes, wenn der Sachverständige sich in den Akten befindliche Jugendamtsberichte oder die ihm vom Familiengericht zugeleitete Akten eines Strafverfahrens einsieht, oder gar Abrechnungsbetrug.

Manchmal werden Demonstrationen vor dem Gericht oder dem Büro des Sachverständigen organisiert, oder Kontaktaufnahmen erfolgen nach Erstellung des Gutachtens unter der Privatadresse des Sachverständigen, die durchaus den Charakter einer persönlichen Bedrohung erreichen können.[10]

Der Sachverständige, der in der Regel unabhängig und freiberuflich tätig ist und somit keinen Rückhalt, wie beispielsweise bei einem Angestelltenverhältnis, erhalten kann, ist kaum vor derartigen Angriffen von unzufriedenen Parteien geschützt.

Selbst wenn es beim Sachverständigen im Rahmen der Begutachtung zu einer schweren körperlichen Auseinandersetzung zwischen den Parteien kommt, kann dies eher dem Sachverständigen zur Last gelegt werden, da eine überhöhte Erwartung besteht, dass er als Psychologe die Gefährlichkeit hätte erkennen und daraufhin die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen hätte treffen müssen.[11] Sicherheitsvorkehrungen, wie sie bei den Gerichten mittlerweile durch Einlasskontrollen zu finden sind, bestehen in den Praxen der Sachverständigen allerdings nicht und sind dort auch nicht umsetzbar.

Der folgende Beitrag will auf die erheblichen Widrigkeiten, welche das Berufsbild des familienpsychologischen Sachverständigen mit sich bringt aufmerksam machen und Vorschläge für die Verbesserungen gewisser Umstände unterbreiten, um somit der unglücklichen Entwicklung entgegenzuwirken, dass sich an vielen Orten immer weniger Psychologen für dieses Berufsfeld aufgrund der damit einhergehenden Belastungen langfristig entscheiden.[12]

[1] Aus Gründen der einfacheren Lesbarkeit wird im Folgenden nur das generische Maskulinum verwendet.
[2] BVerfG FamRZ 2001, 1285; BGH NJW 89, 2948; BVerfG FuR 2007, 418.
[3] Jüngst: Ernst, Jugendam...

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