In Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit kommt die Annahme von Substantiierungsmängeln (vgl. oben, B. I. 1. a) oder die Zurückweisung verspäteten Vorbringens (vgl. oben, B. I. 1. b) aufgrund des gemäß § 26 FamFG herrschenden Amtsermittlungsgrundsatzes nicht in Betracht. Indes stehen dem Amtsermittlungsgrundsatz die in § 27 FamFG normierten Mitwirkungspflichten der Beteiligten gegenüber. Durch diese wird der Amtsermittlungsgrundsatz eingeschränkt.[20]

Sofern ein zum gerichtlichen Termin zum Zwecke der Aufklärung des Sachverhalts gemäß § 33 Abs. 1 S. 1 FamFG geladener Beteiligter zu diesem Termin nicht erscheint, verweigert er – falls nicht andere besondere, insbesondere entschuldigende, Umstände hinzutreten – die Erfüllung seiner Pflicht zur Mitwirkung an der Sachverhaltsaufklärung gemäß § 27 Abs. 1 FamFG.[21]

Inwiefern Verstöße gegen die Mitwirkungspflicht aus § 27 Abs. 1 ZPO sanktionierbar sind, ist im Einzelnen umstritten. Einigkeit besteht zunächst im Grundsatz dahingehend, dass eine Verletzung von Mitwirkungspflichten der Beteiligten die Pflicht des Gerichts zur amtswegigen Ermittlung des Sachverhalts einschränken kann.[22] Dies ergibt bereits die historische Auslegung der §§ 26, 27 FamFG, da die Gesetzesbegründung explizit eine Einschränkung der Amtsermittlungspflicht erwähnt.[23] Unter Verweis auf eine Entscheidung des OLG Köln[24] geht der Gesetzgeber davon aus, dass bei einer Verweigerung der Mitwirkung durch die Beteiligten und keinem sonst ersichtlichen Anlass für weitere erfolgversprechende Ermittlungen davon auszugehen ist, dass das Gericht der Amtsermittlungspflicht Genüge getan hat.[25]

Die Bewertung der Untersuchung durch das Gericht als genügend ist im Allgemeinen indes erkennbar eine Frage des jeweiligen Einzelfalls.[26] Als Kriterien für die Bewertung sind zu Recht insbesondere der Grad der Pflichtverletzung durch den Beteiligten[27] und die Zumutbarkeit dieser Mitwirkung[28] anerkannt. Ferner muss eine etwaige besondere Fürsorgepflicht des Staates – insbesondere in familiengerichtlichen Kindschaftsverfahren – als Korrektiv für die potentielle Einschränkung der Amtsermittlungspflicht beachtet werden.[29]

Zusammenfassend läuft ein Beteiligter, der anordnungswidrig nicht zum Termin erscheint, daher Gefahr, mit seinem etwaigen Vorbringen, das nicht bereits anderweitig in das Verfahren eingeführt wurde, im Rahmen der gerichtlichen Entscheidung nicht gehört zu werden und diese fehlende Berücksichtigung auch nicht mit Erfolg im Rechtsmittelverfahren mit dem Einwand der Verletzung der gerichtlichen Amtsermittlungspflicht geltend machen zu können.[30]

[20] OLG Düsseldorf FamRZ 2012, 1233; OLG Celle FamRZ 2011, 1525; Musielak/Borth/Borth/Grandel, § 27 Rn 2; Heilmann/Cirullies, § 26 bis § 27 Rn 3; Zöller/Feskorn, § 26 FamFG Rn 2; Fröschle/Fröschle, § 27 Rn 1; Haußleiter/Gomille, § 26 Rn 10; Bork/Jacoby/Schwab/Jacoby, § 26 Rn 2, § 27 Rn 1; Prütting/Helms/Prütting, § 26 Rn 11; Kemper/Schreiber/Schreiber, § 27 Rn 1; Keidel/Sternal, § 26 Rn 21, § 27 Rn 1; MüKo-FamFG/Ulrici, § 26 Rn 1.
[21] Vgl. MüKo-FamFG/Ulrici, § 27 Rn 7.
[22] Musielak/Borth/Borth/Grandel, § 27 Rn 2; Bumiller/Harders/Schwamb/Bumiller, § 26 Rn 3; BeckO-FamFG/Burschel, § 27 Rn 5; Heilmann/Cirullies, § 26 bis § 27 Rn 3; Fahl, NZFam 2015, 848 (849); Zöller/Feskorn, § 27 FamFG Rn 4; Fröschle/Fröschle, § 27 Rn 1; Haußleiter/Gomille, § 27 Rn 5; Bork/Jacoby/Schwab/Jacoby, § 27 Rn 10; Saenger/Kemper, § 27 Rn 3; Prütting/Helms/Prütting, § 27 Rn 8 f.; Bahrenfuss/Rüntz, § 27 Rn 11; Schlünder/Nickel, S. 30; Keidel/Sternal, § 27 Rn 1, 6; MüKo-FamFG/Ulrici, § 27 Rn 8.
[23] BT-Drucks 16/6308, S. 186 f.
[24] OLG Köln NJW-RR 1991, 1285 (1286).
[25] BT-Drucks 16/6308, S. 187.
[26] Zöller/Feskorn, § 27 FamFG Rn 4; Bork/Jacoby/Schwab/Jacoby, § 27 Rn 7.1, 10; Prütting/Helms/Prütting, § 27 Rn 8 f.; Bahrenfuss/Rüntz, § 27 Rn 11; Kemper/Schreiber/Schreiber, § 27 Rn 5.
[27] Prütting/Helms/Prütting, § 27 Rn 9.
[28] BeckOK-FamFG/Burschel, § 27 Rn 5; Prütting/Helms/Prütting, § 27 Rn 9; Keidel/Sternal, § 27 Rn 6.
[29] Bork/Jacoby/Schwab/Jacoby, § 27 Rn 10; Prütting/Helms/Prütting, § 27 Rn 8; Bahrenfuss/Rüntz, § 27 Rn 12.
[30] Vgl. BayObLG FamRZ 2002, 1291 (1293); OLG Köln FamRZ 1994, 1135 (1136); jeweils zu § 12 FGG a.F.; OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 2011, 1516 (1517); OLG Köln FGPrax 2009, 268; BeckO-FamFG/Burschel, § 27 Rn 5; Zöller/Feskorn, § 27 FamFG Rn 4; Haußleiter/Gomille, § 27 Rn 5; Bork/Jacoby/Schwab/Jacoby, § 27 Rn 10; Saenger/Kemper, § 27 Rn 3; Bahrenfuss/Rüntz, § 27 Rn 11; Keidel/Sternal, § 27 Rn 6; MüKo-FamFG/Ulrici, § 27 Rn 9.

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