Für eine Neuregelung der Frage, inwieweit die deutsche Rechtsordnung ausländische Minderjährigenehen als gültig anerkennt, boten sich alternativ zwei grundlegende Lösungsansätze an: die "Aufhebungslösung" und die "Unwirksamkeitslösung".

Bei Umsetzung einer Aufhebungslösung sind sämtliche im Ausland geschlossene Minderjährigenehen zunächst wirksam, können aber unter bestimmten Voraussetzungen durch Entscheidung deutscher Familiengerichte aufgehoben werden. Dieses Modell ist klar und einfach zu handhaben. Es befreit – außerhalb des familiengerichtlichen Eheaufhebungsverfahrens – die Behörden und Gerichte von der einzelfallbezogenen Prüfung, ob ein Verstoß gegen den deutschen ordre public vorliegt und welche Rechtsfolge das maßgebliche ausländische Recht für Verstöße gegen Ehemündigkeitsregeln vorsieht. Bei der Entscheidung, ob die Ehe aufzuheben ist, können die Familiengerichte den besonderen Umständen des Einzelfalls Rechnung tragen und – je nach Ausgestaltung der Regelung – unter bestimmten Umständen von einer Aufhebung absehen; auf diese Weise bleiben auch einvernehmlich geführte Langzeitehen fortbestehen. Zudem kommen die weiteren Vorteile einer Ehe den Minderjährigen – zumindest bis zur rechtskräftigen Aufhebungsentscheidung – und etwaigen aus der Ehe hervorgegangenen Kindern zugute (Unterhaltsansprüche, Erbrecht, Vaterschaftszuweisung, steuer- und sozialversicherungsrechtliche Vorteile).

Allerdings beinhaltet die Aufhebungslösung in ihrer Reinform auch den Nachteil, dass der Minderjährige nur unzureichend vor dem Einfluss des anderen Ehegatten geschützt ist: Da sich die Vormundschaft wegen § 1633 BGB nicht auf die tatsächliche Personensorge erstreckt, kann der bestellte Vormund nicht darüber bestimmen, dass der Minderjährige, wenn es zu seinem Wohl erforderlich ist, von dem anderen Ehegatten getrennt wird und keinen oder nur eingeschränkten Kontakt zu ihm hat. Dies ist selbst nach einer zwischenzeitlichen Aufhebung der Ehe der Fall. Die Aufhebungslösung kam daher in Reinform nicht in Betracht, sondern musste zumindest um die Möglichkeit ergänzt werden, die Vormundschaft einstweilen bis zum Abschluss des Eheaufhebungsverfahrens sowie für die Zeit nach einer etwaigen Aufhebung auch auf die tatsächliche Personensorge zu erstrecken, wenn es das Wohl des Minderjährigen erfordert.

Diese Problematik ergibt sich bei einer Unwirksamkeitslösung nicht. Nach diesem Modell sind im Ausland geschlossene Minderjährigenehen – ggf. auch nur Ehen von unter 16-Jährigen – unwirksam, ohne dass es noch einer konstitutiven familiengerichtlichen Aufhebung oder Feststellung bedarf. Den Vormündern steht daher auch ohne Weiteres die tatsächliche Personensorge für die ihnen anvertrauten minderjährigen Ehegatten zu. Durch den Unwirksamkeitsautomatismus haben Gerichte und Behörden, für die der Bestand einer wirksamen Ehe Vorfrage ist, ebenfalls nicht zu prüfen, ob wegen der Minderjährigkeit ein Verstoß gegen den deutschen ordre public vorliegt und welche Rechtsfolge das maßgebliche ausländische Recht für Verstöße gegen Ehemündigkeitsregeln vorsieht.

Allerdings hat die Unwirksamkeitslösung auch erhebliche Nachteile. Insbesondere können bei einer starren Unwirksamkeitsfolge etwaige Besonderheiten des Einzelfalls, die eine Anerkennung der Ehe sinnvoll erscheinen lassen, nicht berücksichtigt werden. Dies betrifft vor allem auch die Langzeitehen, sofern sie nicht vom Anwendungsbereich einer Unwirksamkeitslösung ausgenommen werden. Zulasten der Minderjährigen entfallen ferner alle materiellen und immateriellen Vorteile einer (früheren) Ehe, für etwaige aus der unwirksamen Ehe stammenden Kinder muss die Vaterschaft gesondert festgestellt werden,[5] was auch Ansprüche auf Kindesunterhalt sowie Erbansprüche erschwert und sorge- wie umgangsrechtliche Folgen hat.

[5] So auch Hüßtege, FamRZ 2017, 1374 (1378), entgegen Majer, NZFam 2017, 537 (540).

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