Der Entscheidung des OLG lagen gleich mehrere interessante Rechtsfragen zu Grunde:

1. Der Scheidungsantrag war in erster Instanz als verfrüht zurückgewiesen worden. Gegen diesen erstinstanzlichen Beschluss hatte der Antragsteller Beschwerde eingelegt. Das OLG führt in seinem Beschluss im Einzelnen aus, dass der Scheidungsantrag durch das erstinstanzliche Gericht zu Recht zurückgewiesen worden sei, weil die Beteiligten bei dessen Erlass noch nicht ein Jahr getrennt gelebt hätten und auch die Voraussetzungen einer unzumutbare Härte i.S.v. § 1565 Abs. 2 BGB nicht vorgetragen worden seien.

Da allerdings die Trennungszeit des § 1566 BGB während der Dauer des Beschwerdeverfahrens abgelaufen war, lagen im Termin zur mündlichen Verhandlung in der Beschwerdeinstanz die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ehescheidung vor.

Das Beschwerdegericht kann in diesen Fällen grundsätzlich die Scheidung der Beteiligten selbst durchführen, wenn keine Folgesachen im Verbund anhängig sind. Dies gilt selbst dann, wenn der Antragsteller den Scheidungsantrag verfrüht in der Absicht stellt, sich ungerechtfertigte wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen, z.B. durch Manipulation der an die Zustellung des verfrühten Scheidungsantrags anknüpfenden Stichtage der § 1384 BGB, § 1587 Abs. 2 BGB. Das Beschwerdegericht hat allein aufgrund des Sachstands in der letzten Tatsacheninstanz die materiell-rechtlich richtige Entscheidung zu treffen,[1] wobei es ausschließlich um die Frage geht, ob der Scheidungsantrag begründet ist. Ist dies der Fall, hat das Beschwerdegericht die erstinstanzliche Entscheidung aufzuheben und die Scheidung durchzuführen.

Wenn allerdings in erster Instanz Folgesachen anhängig sind oder von Amts wegen hätten anhängig gemacht werden müssen, darf das Beschwerdegericht auch dann nicht dem Scheidungsantrag des Antragstellers stattgeben, wenn die Trennungszeiten des § 1566 BGB während des Beschwerdeverfahrens abgelaufen sind. Gemäß § 146 FamFG hat das Beschwerdegericht zur Erhaltung des Scheidungsverbundes vielmehr den die Scheidung zurückweisenden Beschluss aufzuheben und die Sache an das Ausgangsgericht zurückzuverweisen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn neue Tatsachen zutage treten, die eine Scheidung hindern, wie etwaige Härtegründe nach § 1568 BGB.

Bei der Zurückverweisung an das Ausgangsgericht bleibt es dabei, dass der Antragsteller mit dem verfrühten Scheidungsantrag die für ihn wichtigen Stichtage gesichert hat, sodass die Antragsgegnerseite die möglichen nachteiligen Auswirkungen auf den Zugewinnausgleich und den Versorgungsausgleich hinnehmen muss. Die Antragsgegnerseite kann nur die Möglichkeiten nutzen, die sich aus § 27 VersAusglG und aus § 1381 BGB ergeben.[2]

Aus meiner Sicht ist es unverständlich, dass im Falle eines verfrühten Scheidungsantrages die mögliche Manipulation der Stichtage hingenommen werden muss, obwohl ohne Weiteres feststellbar ist, wann die Beteiligten sich tatsächlich getrennt haben und deshalb der Stichtag genau ein Jahr später angesetzt werden könnte, wodurch jeder Anreiz entfallen könnte, verfrühte Scheidungsanträge im Hinblick auf die maßgeblichen Stichtage zu stellen.

2. Im vorliegenden Sachverhalt bestand die Besonderheit, dass die Beteiligten durch notariellen Vertrag auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs verzichtet hatten und beim erstinstanzlichen Gericht eine Folgesache nachehelichen Unterhalt erst kurz vor der letzten mündlichen Verhandlung in der Beschwerdeinstanz anhängig gemacht worden war. Der Antragsteller führte deshalb aus, dass die Zweiwochenfrist des § 137 Abs. 2 FamFG nicht gewahrt sei, sodass der Antrag auf Zahlung von nachehelichen Unterhalt nicht mehr in den Verbund einbezogen werden könne und die Scheidung durch das Beschwerdegericht auszusprechen sei.

Richtig ist grundsätzlich, dass eine Folgesache nach § 137 Abs. 2 FamFG bis spätestens zwei Wochen vor Schluss der mündlichen Verhandlung[3] anhängig gemacht werden muss, damit sie in den Verbund einbezogen werden kann. Diese Frist gilt auch, wenn in der Beschwerdeinstanz ein die Scheidung zurückweisender Beschluss aufgehoben und die Sache an das Ausgangsgericht zurückverwiesen wurde (§ 146 FamFG), weil noch Folgesachen zu entscheiden sind. Allerdings beginnt die Frist nach § 137 Abs. 2 FamFG in diesen Fällen erst nach einer Zurückverweisung neu zu laufen. Zweck des § 137 Abs. 2 FamFG ist es, Verfahrensverzögerungen durch taktisch motiviertes, kurzfristiges Anhängigmachen von Folgesachen zu vermeiden,[4] nicht aber einem verfrühten Scheidungsantrag dadurch zum Erfolg zu verhelfen, dass Folgesachen nicht mehr im Verbundverfahren geltend gemacht werden können.[5]

3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens wurden dem Antragsteller auferlegt, obwohl seine Beschwerde letztendlich erfolgreich war und zur Aufhebung des den Scheidungsantrag zurückweisenden erstinstanzlichen Beschlusses führte. Grundsätzlich hat bei einem erfolgreichen Rechtsmittel der Rechtsmittelgegner die Kosten zu tragen. Zu berücksichtigen war vorliegend all...

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