Gerd Brudermüller 2008, 231 Seiten, 29 EUR, C. H. Beck Verlag, ISBN 978-3-406-57603-4

Der Ehegattenunterhalt hat seit Inkrafttreten des BGB erhebliche Wandlungen erfahren. Sehr vereinfachend und zugespitzt kann man sagen: Gleich blieb nur der Ausgangspunkt, die Ehe als Grundlage der Unterhaltspflicht. Bereits die Motive zum BGB sahen die Ehegatten auf Grund der Ehe dazu verpflichtet, das, was sie haben, miteinander zu teilen und für ihren Unterhalt zu verwenden.[1] Diese Pflicht entfällt freilich mit der Scheidung. Die Legitimation des nachehelichen Unterhalts erweist sich damit als Grundproblem des Familienrechts. Schon im 19. Jahrhundert gab es deshalb Stimmen, die einen – allerdings damals nicht sog. – "clean break" forderten: Die wechselseitigen Beziehungen der Ehegatten müssten mit der Scheidung definitiv und nach allen Seiten hin gelöst werden. An die Stelle des nachehelichen Unterhaltsanspruchs sollte ein einmaliger Ausgleich treten.[2] Dem folgte der Gesetzgeber jedoch damals ebenso wenig wie heute.[3] Auch die jüngste Reform des Unterhaltsrechts durch das Unterhaltsrechtsänderungsgesetz[4] hält an der Grundkonzeption des nachehelichen Unterhalts fest. Sie zielt jedoch auf die Stärkung der Eigenverantwortung nach der Ehescheidung und sucht damit das Verhältnis von Eigenverantwortung und nachehelicher Unterhaltspflicht neu zu justieren. Damit wirft sie die Frage nach der Legitimation des nachehelichen Unterhalts erneut auf. Die praktische Umsetzung des neuen Unterhaltsrechts wird daher nur gelingen, wenn man Klarheit über diese Grundlagen gewinnt. Eine breite wissenschaftliche Grundlagendiskussion tut deshalb Not. Hierzu liefert die anzuzeigende Studie von Gerd Brudermüller einen gewichtigen Beitrag. Sie untersucht die zentrale Frage, aus welchen Gründen und inwieweit sich der nacheheliche Unterhalt rechtsethisch rechtfertigen lässt. Zugleich hat sie dabei stets die praktische Umsetzung der gewonnenen Einsichten im Blick und stellt daher (auch) einen kritischen Kommentar zur Unterhaltsrechtsreform dar.

Nach dem Ende einer Ehe gilt der allgemeine Grundsatz, dass jeder für seinen Unterhalt selbst verantwortlich ist (§ 1569 S. 1 BGB). Die Auferlegung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht nach dem Ende der Ehe bedarf daher nicht zuletzt aus verfassungsrechtlichen Gründen einer tragfähigen Legitimation.[5] Die nacheheliche Unterhaltspflicht knüpft an die Ehe an. Ohne vorhergehende Ehe gibt es keine gesetzliche Unterhaltspflicht. Die nacheheliche Unterhaltspflicht muss daher ihre Legitimation aus der früheren Ehe beziehen. Die häufig gebrauchten Formeln von der "Nachwirkung der Ehe" bzw. der "nachehelichen Solidarität"[6] beschreiben diese vom Gesetz vorgesehene Nachwirkung der Ehe in Gestalt des nachehelichen Unterhalts, geben jedoch keine Antwort auf die Frage nach ihrer Legitimation, wie Brudermüller überzeugend nachweist (S. 21 ff., 94 ff., 122 ff.).

Vor diesem Hintergrund sucht Brudermüller die "nacheheliche Solidarität" als Rechtsbegriff neu zu begründen und inhaltlich zu konkretisieren. Die Grundlagen seiner Überlegungen gewinnt er dabei durch rechtsethische Überlegungen zur Richtigkeit des Unterhaltsrechts (S. 14 ff.)[7] und zum grundlegenden Verhältnis von Ehe und Recht (S. 47 ff.).[8] Diese Reflexionen sind auch für den Leser von großem Gewinn, der die rechtsphilosophischen Ansichten des Autors nicht teilt, denn sie werden stets auf die rechtsdogmatische Grundfrage nach der Legitimation des nachehelichen Unterhalts bezogen und können deshalb auch unabhängig von ihrer rechtsphilosophischen bzw. rechtsethischen Herkunft als rechtsdogmatische Überlegungen verstanden und diskutiert werden. So überzeugt beispielsweise in rechtsdogmatischer Hinsicht die Unterscheidung zwischen erzwingbaren Rechtspflichten und nur freiwillig zu erfüllenden sittlichen Pflichten (S. 128 ff.), denn in der Lebenswirklichkeit wird Unterhalt vielfach freiwillig und gerade auch in Fällen geleistet, in denen keine rechtliche Pflicht dazu besteht,[9] oder die Überlegung, dass sich die nachehelichen Pflichten aus der vorangehenden Ehe ergeben müssen und deshalb das Verhältnis von Eigenverantwortung und "Solidarität" während und nach der Ehe im Grundsatz gleich bestimmt werden muss (S. 131).

Die Antwort Brudermüllers auf die Frage nach der Legitimation des nachehelichen Unterhalts ist – der Konzeption der Studie entsprechend – zweigeteilt. Zunächst wird die Grundlage des nachehelichen Unterhalts aus rechtsethischer Sicht entwickelt: Da die Ehegatten in der Ehe von Rechts wegen freie und gleichberechtigte Personen seien, dürften sie sich durch ihre Lebensform Ehe auch nicht darin behindern, sich selbst zu unterhalten. Werde die Subsistenzfähigkeit eines Ehegatten durch die Ehe beeinträchtigt, sei der andere zur Unterstützung verpflichtet, um ihn in die Lage zu versetzen, sich künftig selbst zu unterhalten. Das gelte auch für die Zeit nach der Ehe. Brudermüller führt damit den nachehelichen Unterhalt auf den Gedanken der Ausfallleistung be...

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