Jochem Schausten

Werner Schwamb, Richter am OLG Frankfurt am Main, verglich zuletzt auf einer Tagung zum neuen Familienverfahrensgesetz die aktuellen Reformen im Familienrecht mit der Eherechtsreform aus dem Jahr 1977. Dabei kam er zu dem Schluss: "Die jetzigen Reformen sind umfassender und einschneidender als die Eherechtsreform jemals war."

Mangels der altersbedingt fehlenden Erfahrung mit der Eherechtsreform vermag ich nicht zu beurteilen, ob Werner Schwamb Recht hat oder nicht – was aber sicher ist: Der Gesetzgeber hat den Familienrechtlern in den vergangenen Jahren viel Neues zugemutet. Wie ist dieser Reformeifer denn nun zu bewerten? Meine persönliche Meinung: insgesamt positiv! Sicher kritisiert der eine oder andere im Unterhaltsrecht die zunehmende Zahl von Billigkeitsentscheidungen; sicher gibt es auch im Familienverfahrensgesetz wieder Unzulänglichkeiten. Und das Versprechen des Gesetzgebers, mit dem neuen Hin-und-Her-Ausgleich im Versorgungsausgleich würde selbiger einfacher, muss sich erst noch in Praxis bewahrheiten.

Doch andererseits scheinen alle Reformen zwei Zielen zu dienen: mehr Gerechtigkeit herzustellen und den Schwächeren zu schützen.

Schaue ich mir die Unterhaltsreform an, verschaffen uns die neuen Regelungen zum Betreuungsunterhalt und zur Begrenzung des Unterhaltsanspruchs mehr Möglichkeiten, eine dem Einzelfall angepasste Unterhaltsregelung zu finden – es sei denn, die verdeckten Altersphasenmodelle – statt 0/8/15 jetzt 3/8/14 – einiger Oberlandesgerichte machen uns hier wieder einen Strich durch die Rechnung. Und auch die Vorschriften zur Begrenzung des Unterhaltsanspruchs – i.S.d. Gesetzgebers richtig ausgelegt und angewandt – sind geeignet, beide genannten Ziele zu erreichen.

Schaue ich mir die Strukturreform zum Versorgungsausgleich an, ist allein schon der neue Hin-und-Her-Ausgleich ein deutlicher Gerechtigkeitsgewinn, denn bei der früher vorgenommenen Umrechnung von Anwartschaften aus der betrieblichen oder privaten Altersvorsorge in die gesetzlichen Anwartschaften ging jede Menge Wert – und damit Gerechtigkeit – verloren. Auch hier wird der Schwächere in Zukunft besser geschützt.

Schaue ich mir die Güterrechtsreform an, ist schon mit dem neuen Auskunftsanspruch zum Trennungszeitpunkt i.V.m. der Beweislastumkehr ein Zugewinn an Gerechtigkeit verbunden – wer von uns hat nicht die Fälle erlebt, bei denen zwischen Trennung und Stichtag Vermögen verschwand –, ohne dass die Schutzvorschriften eingegriffen hätten. Auch diese Vorschrift schützt den Schwächeren und schafft mehr Gerechtigkeit.

Schaue ich mir das neue Familienverfahrensgesetz an, finden sich auch hier Vorschriften, die der Verwirklichung dieser Ziele dienen: Nach altem Recht scheiterte die Begründung einer Hausratssache oft schon daran, dass der Hausrat vom Anspruchsteller nicht dargelegt werden konnte, nun muss der – oft im Haus verbliebene – Antragsgegner daran mitwirken. Im Ergebnis mehr Gerechtigkeit und der Schutz des Schwächeren.

Man mag also über die Reformen in Details streiten, sie zu Recht an der einen oder anderen Stelle auch kritisieren; insgesamt hat der Gesetzgeber der Anwaltschaft und den Gerichten Regelungen an die Hand gegeben, die zwei hehren Zielen eines Rechtsstaats zu dienen geeignet sind: mehr Gerechtigkeit und mehr Schutz für den schwächeren Part. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen – auch im Namen des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht – viel Glück, Gesundheit und Erfolg für 2010!

Jochem Schausten, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht, Krefeld

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