Dabei war der nächste Umschwung nach Einführung der Surrogatsrechtsprechung bereits zwischenzeitlich mit der BGH-Entscheidung vom 12.4.2006[7] erfolgt. Hier wurde schon der erst 2008 mit der Unterhaltsrechtsreform in Kraft getretene § 1578b sinngemäß vorweggenommen: Erstmals wurden nun dezidiert die "ehebedingten Nachteile" Dreh- und Angelpunkt für die Beschränkung des Geschiedenenunterhalts und das bis dahin in praxi primär maßgebliche Kriterium der "Ehedauer" wurde in seiner Bedeutung endgültig relativiert.

Inwieweit diese Entscheidung – oder das spätere Inkrafttreten der Unterhaltsreform am 1.1.2008 – zur Abänderung von Alttiteln berechtigte, war unklar. Hierzu hatte der Bundesgerichtshof weder in der Entscheidung vom 12.4.2006 selbst, noch in der Entscheidung vom 28.2.2007 etwas verlautbaren lassen. Für nach dem Stichtag 13.6.2001 entstandene Unterhaltstitel, die ohne Befristung oder Beschränkung errichtet worden waren, blieb demnach die Gefahr der Präklusion (und anwaltlicher Haftung)[8] bestehen.

Beispiel: Die geschiedene Ehefrau hat trotz langer Ehe und vormaliger überwiegender Kinderbetreuung keine fortwährenden ehebedingten Nachteile erlitten, weil sie jetzt, wo die Kinder "aus dem Gröbsten heraus sind", längst wieder vollschichtig in ihrem erlernten Beruf arbeitet (und auch in etwa das Einkommen erzielt, das sie auch ohne "Kinderpause" jetzt erzielen würde).

Bei solchen Fallkonstellationen wurde auch in der Zeit nach Juni 2001 Beschränkung /Befristung des Geschiedenenunterhalts häufig abgelehnt oder – insbesondere, wenn mehrere Kinder zu betreuen waren – gar nicht erst geltend gemacht. Die Frage nach den "ehebedingten Nachteilen" wurde gar nicht thematisiert, weil man die BGH-Entscheidung vom 12.4.2006 nicht vorausgesehen hat. Überdies sahen die §§ 1573 Abs. 1 Satz 1 2. Hs., 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. bis Ende 2007 noch vor, dass schon bei vormaliger Betreuung nur eines einzigen Kindes "in der Regel" sowohl Befristung, als auch Beschränkung des Unterhaltsanspruchs ausscheidet (diese "Regel" wurde erst mit der Unterhaltsrechtsreform – ersatzlos[9] – gestrichen). Derartige Fälle sind auch in der Zeit nach dem 13.6.2001 noch zahlreich (z.B. BGH FamRZ 2004, 1357[10]).

[8] Insoweit könnte das am 15.12.2004 in Kraft getretene "Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts" bedeutsam werden, da nun womöglich die bisher kraft richterlicher Rechtsfortbildung geltende sog. Sekundärhaftung des Anwalts entfallen ist (hierzu Reinelt, ZAP 2005, 209).
[9] Die Kinderschutzklausel des § 1578b n.F. ("auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes") schützt nur die Belange aktuell betreuungsbedürftiger Kinder, nicht jedoch Unterhaltsberechtigte, die zu früherer Zeit wegen Kinderbetreuung ihre Erwerbstätigkeit reduziert hatten, sofern hierdurch keine ehebedingten Nachteile eingetreten sind.
[10] Im Falle o.g. BGHE v. 9.6.2004 hatte das Kind im Zeitpunkt des Vergleichs "das 16. Lebensjahr begonnen" (war also gerade 15 geworden).

1. Abänderung auf Grund der BGH-Entscheidung vom 12.4.2006?

a) Teilweise,[11] sieht man in der BGH-Entscheidung vom 12.4.2006 die erstmalige Feststellung einer quasi versteckten Rechtslage, die schon seit dem Unterhaltsrechtsänderungsgesetz von 1986 – oder jedenfalls seit Einführung der Surrogatsrechtsprechung im Juni 2001 – bestanden hat. Bei unverändertem Sachverhalt bedeutet dies für den Beispielsfall: Abänderung unzulässig wegen Präklusion.

b) Diese Auffassung erscheint jedoch nicht zutreffend: Bis Juni 2001 hatte § 1573 Abs. 5 BGB a.F. nach einhelliger Ansicht ein "Schattendasein geführt". Und noch im Juni 2004 – immerhin drei Jahre nach Einführung der Surrogatsrechtsprechung – bestätigte BGH FamRZ 2004, 1357 die bisherige Linie der Instanzgerichte: Hier hatte er noch erklärt,

1) dass die Einführung der Surrogatsrechtsprechung (jedenfalls für den Unterhaltspflichtigen) keineswegs einer zur Abänderung berechtigenden "wesentlichen Veränderung der Verhältnisse" i.S.d. § 323 Abs. 2 ZPO bzw. § 313 BGB gleichkomme, und

2) gegen eine zeitliche Befristung oder Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs nach § 1578 Abs. 1 Satz 2 außerdem spreche, "dass die Beklagte mit der Tochter N nicht nur vorübergehend ein gemeinsames Kind allein oder überwiegend betreut habe. Das hielte den Angriffen der Revision stand" (obwohl es sich im konkreten Fall nur um ein Kind handelte.[12])

Richtigerweise handelt es sich daher bei der BGH-Entscheidung vom 12.4.2006 um eine zur Abänderung berechtigende "Änderung höchstrichterlicher Rechtsprechung"[13] so dass es für die Frage der Präklusion auf den späteren Stichtag 12.4.2006 ankommt.[14] Zwar bleibt dann noch "entscheidend darauf abzustellen",[15] ob im konkreten Fall schon vor dem 12.4.2006 irreparabel Präklusion eingetreten ist. Aber bei der hier behandelten Fallkonstellation – Beschränkung des Geschiedenenunterhalts unterblieb mit Blick auf vormalige Kindesbetreuung, ohne dass die Frage nach d...

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