Nach alledem erweist sich das Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts als verfassungskonform. Das filigrane Zusammenspiel von Gesetzgeber und BVerfG, das von der Einführung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft 2001 über deren verfassungsgerichtlich durchgesetzte Angleichung an die Ehe führte und nunmehr in der gesetzlichen Öffnung der Ehe für alle Zweierbeziehungen unabhängig vom Geschlecht gemündet ist, darf als Musterbeispiel für eine gesellschaftlich-symbolische Funktion von Verfassung/Verfassungsrechtsprechung[149] gelten, die diskursiv politische Identität stiftet.[150] Die technischen Fragen der Gesetzgebung und der Verfassungsdogmatik verschwinden im Schatten einer – auch international geführten[151] – rechts- und gesellschaftspolitischen Grundsatzdebatte um Anerkennung.[152] Die "Ehe für Alle" ist daher gewiss mehr als nur eine Fußnote in einer Zeitgeschichte der Berliner Republik. Die Rolle des BVerfG als gesellschaftspolitischer Akteur bleibt hierbei ambivalent. Der Deutschen Bundestag konnte nur noch in einem symbolischen Akt eine Entwicklung zum Abschluss bringen, der die Rechtsprechung beider Senate des BVerfG auf rechtstechnischem Boden längst das Feld bereitet hatte. Am Ende wurde die Ehe gleichwohl durch legislative Rechtspolitik geöffnet. Auf das irrlichternde Argument des Verfassungswandels war man hierfür nicht angewiesen.

Autor: Professor Dr. Klaus F. Gärditz , Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

FF 1/2018, S. 8 - 22

[149] Hierzu Volkmann, Jura 2015, 1083 (1092); siehe auch Gärditz (Fn 102), S. 31 ff.; Morlok, Soziologie der Verfassung, 2014, S. 44 ff.; Möstl, in: Depenheuer/Grabenwarter (Hrsg.), Verfassungstheorie, 2010, § 17 Rn 25; Vesting, in: ders./Korioth (Hrsg.), Der Eigenwert des Verfassungsrechts, 2011, S. 71 (80 ff.).
[150] Brodocz, Die symbolische Dimension der Verfassung, 2003, S. 228 ff.; Schulz, in: Llanque/ders. (Hrsg.), Verfassungsidee und Verfassungspolitik, 2015, S. 367; Vorländer, Amerikastudien 34 (1988), 69 ff.
[151] Hierzu Beck/Tometten, DÖV 2016, 581 ff.; Erbarth, FamRB 2017, 429 f.; Tometten, VRÜ 50 (2017), 75 ff.; siehe zuletzt Österreichischer VfGH, Erkenntnis v. 4.12.2017 – G 258-259/2017-9.
[152] Historische Gesamtbilanz bei Wasmuth, NJ 2017, 353 ff.

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