Mit der Unterhaltsreform von 2008 hat der Gesetzgeber sich in besonderem Maße dem Schutz sogenannter Zweitfamilien verschrieben und den seit der Eherechtsreform von 1977 bestehenden regelmäßigen Vorrang der Unterhaltsansprüche des vorangegangenen Ehegatten abgeschafft. Er richtet den Rang in der Neufassung des § 1609 BGB nicht mehr wie zuvor grundsätzlich an der zeitlichen Priorität der konkurrierenden Ansprüche aus, sondern stellt maßgeblich auf die Schutzbedürftigkeit der Beteiligten ab.[2]

Die Änderung des § 1609 BGB hat bei der Ermittlung des geschuldeten Unterhalts ein Spannungsverhältnis entstehen lassen, weil der Gesetzgeber gleichzeitig die Regelungen zur Bedarfsbestimmung in § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB und zur Leistungsfähigkeit in § 1581 S. 1 BGB beibehalten hat. Die Beibehaltung der Bedarfsbestimmung nach den ehelichen Lebensverhältnissen führt in Konkurrenzverhältnissen zu einer starken Ausgangsposition des vorangegangenen Ehegatten. Sein Bedarf liegt damit regelmäßig wesentlich höher als der des ihm nachfolgenden unterhaltsberechtigten Ehepartners, dessen Bedarf von der gegenüber ihm bestehenden Unterhaltslast geprägt ist. Dies kann zu deutlich voneinander abweichenden Bedarfen der konkurrierenden Ehegatten und damit zu einem "wirtschaftlichen Nachrang"[3] des aus Gründen des § 1609 Nr. 2 BGB vom Gesetzgeber eigentlich als besonders schützenswert angesehenen nachfolgenden Ehegatten führen.

Das geltende Recht lässt offen, wie dieser Interessenkonflikt aufzulösen ist und wie weit der vom Gesetzgeber als Ziel der Reform von 2008 definierte Schutz von Zweitfamilien reichen soll. Für die Praxis sind damit viele Fragen offen. Diese sieht insbesondere die Konsequenzen zwischen der Beibehaltung der Bedarfsbestimmung und der Neuregelung der Rangverhältnisse als Widerspruch zu der vom Gesetzgeber angestrebten Ausrichtung des Ehegattenunterhaltsrechts an der Schutzbedürftigkeit der Beteiligten an.

[2] Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Änderung des Unterhaltsrechts vom 15.6.2006, BT-Drucks 16/1830, 1, 12, 14.
[3] So: Hoppenz, Die Dreiteilung des Unterhalts, NJW 2012, 819 (820).

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