Gründe: I. [1] Die Antragsgegnerin wendet sich gegen den am 18.3.2022 verkündeten Scheidungsverbundbeschluss, mit dem die Ehe der Beteiligten auf den vom Antragsteller angebrachten Antrag geschieden und hinsichtlich des Versorgungsausgleichs ausgesprochen wurde, dass dieser aufgrund einer von den Beteiligten am 21.1.2022 zu Protokoll des Familiengerichts erklärten wechselseitigen Verzichtsvereinbarung nicht stattfindet.

[2] Zur Begründung der in der Ehesache ergangenen Entscheidung hat das Familiengericht darauf verwiesen, dass die eheliche Lebensgemeinschaft der Beteiligten seit spätestens Oktober 2020 – seinerzeit hat der Antragsteller die Antragsgegnerin aus der Ehewohnung "herausgeworfen" – nicht mehr bestehe und nach dem Gesetz das Scheitern der Ehe unwiderleglich vermutet werde. Denn die Ehegatten lebten nicht nur länger als ein Jahr getrennt voneinander, sondern die Antragsgegnerin habe einen eigenen Scheidungs- (wider-) antrag angebracht.

[3] Zur Begründung ihres Rechtsmittels verweist die Antragsgegnerin darauf, dass sie die eheliche Lebensgemeinschaft wiederherstellen möchte und darauf hoffe, dass der Antragsteller sein Scheidungsverlangen, nachdem er von ihrem Wunsch Kenntnis erlangt habe, fallen lasse.

[4] Der Antragsteller verteidigt die ergangene Entscheidung. Er weist darauf hin, dass er an einer Versöhnung nicht interessiert sei, sondern auf jeden Fall geschieden werden wolle; die Antragsgegnerin wisse das auch.

[5] Der Senat hat die Beteiligten mit Schreiben vom 16.6.2022 darauf hingewiesen, dass im schriftlichen Verfahren entschieden werden soll und ihnen eine Frist zum abschließenden Vortrag gesetzt. Stellungnahmen sind nicht eingegangen.

II. [6] 1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig; insbesondere wurde sie fristgerecht angebracht und ordnungsgemäß begründet (§§ 58, 63 Abs. 1, 64, 117 Abs. 1 FamFG).

[7] 2. In der Sache selbst erweist sich das Rechtsmittel der Antragsgegnerin dagegen als nicht begründet. Denn auch unter Berücksichtigung ihres Beschwerdevortrags gibt es gegen den Scheidungsbeschluss des Familiengerichts nichts zu erinnern:

[8] a) Nach dem Gesetz (Art. 8 lit a Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 des Rates vom 20.12.2010 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts; § 1565 Abs. 1 S. 1 BGB) kann eine Ehe geschieden werden, wenn sie gescheitert ist. Das Scheitern der Ehe wird unwiderleglich vermutet, wenn die Ehegatten seit einem Jahr getrennt leben und beide Ehegatten die Scheidung beantragen (§ 1566 Abs. 1 BGB).

[9] b) (aa) Dieser Fall liegt hier vor: Beide Beteiligten haben jeweils schriftsätzlich vorgetragen, dass sie seit spätestens Oktober 2020 in unterschiedlichen Wohnungen voneinander getrennt leben. In den familiengerichtlichen Anhörungsterminen vom 21.1.2022 bzw. vom 18.2.2022 haben beide Beteiligten diese Angabe nochmals ausdrücklich bestätigt; die Antragsgegnerin hat dazu präzisiert, dass der Antragsteller sie im Verlauf des Oktobers 2020 aus der früheren Ehewohnung "herausgeworfen" habe. Über die mindestens einjährige Trennung hinaus – tatsächlich hält die Trennung der Ehegatten heute bereits seit einem Jahr und neun Monaten an – haben beide Beteiligten jeweils auch die Scheidung ihrer Ehe beantragt: Eingeleitet wurde das Verfahren durch den Scheidungsantrag des Antragstellers vom 16.8.2021, an dem dieser, wie sein Schriftsatz vom 14.6.2022 zeigt, bis heute unverändert festhält. Unter dem 21.9.2021 hat die Antragsgegnerin ihrerseits – als Widerantrag – die Scheidung der Ehe begehrt. Diesen Antrag hat sie im Termin vom 21.1.2022, wie die Antragstellung ihres Verfahrensbevollmächtigten zeigt, erneut bekräftigt. Zwar hat sie in ihrer persönlichen Anhörung im Termin vom 18.3.2022 erklärt, ihre Meinung geändert zu haben und keine Scheidung mehr zu wollen; ihren Scheidungswiderantrag hat sie zurückgenommen. Aber die Rücknahme ihres Scheidungsantrages ist nicht wirksam geworden (§§ 113 Abs. 1 FamFG, 269 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, 4 ZPO): Denn nachdem die Beteiligten im Termin vom 21.1.2022 bereits über den Antrag und den Widerantrag mündlich verhandelt haben (§§ 113 Abs. 1 FamFG, 137 Abs. 1 ZPO), konnte die Rücknahme des Scheidungswiderantrages nur nach erfolgter Einwilligung des Antragstellers wirksam werden (§§ 113 Abs. 1 FamFG, 269 Abs. 1 ZPO). Indessen hat der Antragsteller seine Einwilligung zu keinem Zeitpunkt erklärt (§ 269 Abs. 2 S. 1 ZPO). Seine Einwilligung gilt auch nicht fiktiv als erteilt (§ 269 Abs. 2 S. 4 ZPO), weil er auf die Folgen eines unterlassenen Widerspruchs gegen die Antragsrücknahme zu keinem Zeitpunkt hingewiesen worden war. Im Ergebnis hat das zur Folge, dass der Scheidungswiderantrag der Antragsgegnerin bei Erlass des Scheidungsbeschlusses unverändert anhängig war und damit die Voraussetzung dafür vorlag, dass das Scheitern der Ehe der Beteiligten unwiderlegbar zu vermuten ist (§ 1566 Abs. 1 BGB). Damit wurde die Ehe der Beteiligten zu Recht geschieden un...

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