Der Billigkeitsmaßstab bei § 1579 BGB sieht anders als beim § 1578b BGB grobe Unbilligkeit vor. Man könnte nun der Meinung sein, dass grobe Unbilligkeit nach § 1579 BGB denselben Maßstab bildet wie bei § 1381 BGB im Zugewinnausgleich und bei § 27 VersAusglG. Um dies vorwegzunehmen, der Maßstab der groben Unbilligkeit bei § 1381 BGB und § 27 VersAusglG stellt eine höhere Hürde dar als beim § 1579 BGB.[36]

Warum ist der Billigkeitsmaßstab beim § 1579 BGB niedriger? Dies hängt damit zusammen, dass man sich die Entstehungsgeschichte vergegenwärtigen muss. Festzustellen ist, dass § 1579 BGB ursprünglich vorsah, dass ein Totalausschluss des Unterhalts erfolgen sollte.

In der Folgezeit hat § 1579 BGB, wie oben schon dargestellt, zwei Änderungsgesetze über sich ergehen lassen müssen. Hierbei ist auch der Ausnahmecharakter, insbesondere bei den Rechtsfolgen abgeändert worden: Während ursprünglich die totale Versagung des Unterhaltsanspruchs angesagt war – dies bedeutet Verwirkung ja im ursprünglichen Rechtssinne –, ist unter Verwirkung heute auch die Beschränkung, Herabsetzung oder zeitliche Befristung zu verstehen. Dies muss Auswirkungen haben, auch auf den Billigkeitsmaßstab.

Insofern geht die Formulierung, "dass die volle oder teilweise Gewährung des nachehelichen Unterhalts dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widersprechen würde", wesentlich zu weit.[37] Diese sehr hohe Hürde und Betonung des Ausnahmecharakters des § 1579 BGB berücksichtigt nicht die Entwicklung des Gesetzes und die dazu inzwischen ergangene Rechtsprechung.[38]

Durch die Änderungen der Rechtsfolgeregelungen im Änderungsgesetz 1986, aber auch insbesondere des Unterhaltsänderungsgesetzes 2007 ist der Billigkeitsmaßstab deutlich herabgesetzt worden. Dies ergibt sich vor allem aus der Rechtsprechung des BGH zu den distanzierten Lebensgemeinschaften.

Auf der anderen Seite ist die Vorschrift des § 1381 BGB im Zugewinnausgleich das Korrektiv gegen die starre, schematische Berechnung des Zugewinns. Insofern geht es beim Zugewinn und im Versorgungsausgleich um während der Ehe erworbene Vermögenswerte. Die Teilhabegerechtigkeit ist auf die Ehezeit bezogen. Der Billigkeitsmaßstab ist sowohl bei § 1381 BGB als auch bei § 27 VersAusglG eine andere Ausgangsposition, sodass dort das Gerechtigkeitskorrektiv schärfer ausgebildet sein kann.[39]

[36] Vgl. dazu Dose, Ehe und nacheheliche Solidarität, FamRZ 2011, 1341 ff.; Schnitzler, "In verwirkender Mission": Grobe Unbilligkeit im Familienrecht, FF 2014, 94 ff. (insb. 98, 100).
[37] Vgl. Wendl/Dose/Siebert, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 9. Aufl. 2015, unter Verweis auf ein Urteil des BGH FamRZ 1989, 483, 485.
[38] Vgl. Insofern auch die nicht zutreffende Entscheidung des OLG Saarbrücken FF 2017, 502 m. Anm. Schnitzler.
[39] Vgl. im Einzelnen Schnitzler, FF 2014, 94 ff.

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