Anders als bei Unterhaltsverpflichtungen kommt es für die Antwort auf die Frage, wann eine Unterhaltspartei sonstige Einkommensminderungen durch Zurechnung eines fiktiven Einkommens selbst tragen muss, darauf an, ob ihr eine Obliegenheitsverletzung vorzuwerfen ist. Bei der Bedürftigkeit (§ 1577 BGB) und bei Leistungsfähigkeit (§ 1581 BGB) ist dies bei einfachem Verschulden in der Gegenwart und bei grobem Verschulden in der Vergangenheit (§ 1579 Nr. 4 BGB: "mutwillig herbeigeführt hat") zu bejahen.[47] Dies gilt für beide Parteien grundsätzlich auch bei der Bedarfsbemessung nach § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB. Es ist jedoch die Einschränkung zu beachten, dass für die Bedarfsbemessung die konkreten ehelichen Lebensverhältnisse, nicht gedachte wirtschaftliche Verhältnisse, maßgebend sind.[48] Der Ansatz eines fiktiven Einkommens ist deswegen nur in diesem Rahmen zulässig. Dies schließt nicht aus, auf ein fiktives Einkommen zurückzugreifen, wenn eine Unterhaltspartei in treuwidriger Weise die Grundlagen für die Bemessung des Bedarfs verringert, etwa indem sie willkürlich ihre Erwerbstätigkeit nach der Trennung einschränkt,[49] vorzeitig in den Ruhestand tritt[50] oder als Arbeitsloser gebotene Erwerbsbemühungen unterlässt.[51] Zu Recht weist der BGH im Urt. v. 6.2.2008 auch auf seine Rechtsprechung[52] hin, dass ein fiktives Einkommen auch bei Einkommensminderungen als Folge freiwilliger beruflicher oder wirtschaftlicher Dispositionen ansetzbar sein kann, die durch zumutbare Vorsorge aufgefangen werden können. Soweit der BGH im Urt. v. 6.2.2008 allgemein erst ab einer groben Obliegenheitsverletzung ein fiktives Einkommen anrechnet, dürfte es sich um eine ungenaue Formulierung handeln. Jedenfalls hat er in einem wenig später verkündeten Urteil[53] ein fiktives Einkommen wegen eines Wohnvorteils angerechnet, ohne auf diese Voraussetzung abzustellen.
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