Umstritten ist, ob und ggf. wie Anrechte zu bewerten sind, bei denen sich herausgestellt hat, dass in der Ehezeit keine Anrechte erworben worden sind, etwa weil die Wartezeit noch nicht erfüllt, das ermittelte Anrecht noch nicht unverfallbar ist oder während der Ehezeit nichts mehr eingezahlt worden ist.
Eine Auffassung[14] will solche Anrechte bei der Bewertung außer Ansatz lassen. Das OLG Stuttgart[15] und das KG[16] sind dagegen der Auffassung, dass auch diese Anrechte zu berücksichtigen seien, da ausweislich der Begründung des Gesetzgebers nicht nur jedes auszugleichende Anrecht zu berücksichtigen sein soll, sondern jedes Anrecht. Sie machen im Anschluss daran aber im Einzelfall von der Billigkeitsklausel des § 50 Abs. 3 FamGKG Gebrauch (s.u. VII.) und setzen den Wert herab oder lassen die Anrechte ohne Ehezeitanteil insoweit unberücksichtigt, wenn deren volle Bewertung unbillig erscheinen würde.
Beispiel (Versorgungsausgleich, Anwartschaften ohne Ehezeitanteil):
Das monatliche Nettoeinkommen des Ehemannes beträgt 3.000,00 EUR, das der Ehefrau 2.000,00 EUR. Beide Ehegatten haben jeweils ein gesetzliches Anrecht, der Ehemann darüber hinaus auch noch eine betriebliche Altersversorgung bei der A-AG, bei der er allerdings zum Zeitpunkt der Heirat nicht mehr beschäftigt war. Bei der B-AG, bei der er jetzt beschäftigt ist, hat er eine betriebliche Altersversorgung, die allerdings noch nicht unverfallbar ist.
Nach h.M. sind nur die gesetzlichen Anwartschaften zu berücksichtigen. Die Betriebsrente bei der A-AG bliebe unberücksichtigt, da dort während der Ehezeit nichts mehr eingezahlt worden ist. Die Betriebsrente bei der B-AG bliebe unberücksichtigt, weil sie noch nicht unverfallbar ist und daher dem schuldrechtlichen Ausgleich vorbehalten bleibt. Der Verfahrenswert würde danach nur 2 × 10 % × 15.000,00 EUR = 3.000,00 EUR betragen.
Nach OLG Stuttgart und KG wären alle vier Anrechte zu berücksichtigen, wobei die betrieblichen Anrechte nach § 50 Abs. 3 FamGKG ggf. unberücksichtigt bleiben oder mit einem niedrigeren Wert anzusetzen sind.
Beispiel (Anwartschaften ohne Ehezeitanteil):[17]
Zum Zeitpunkt der Eheschließung ist der Ehemann bereits in Pension (3.000,00 EUR) und die Ehefrau in Rente (2.000,00 EUR). Später lassen sie sich scheiden. Während der Ehe hat keiner der beiden weitere Anrechte erworben.
Nach h.M. wäre jetzt gar nichts zu bewerten. Nach Auffassung des OLG Stuttgart und des KG sind vorbehaltlich einer Anpassung nach § 50 Abs. 3 FamGKG beide Anrechte zu berücksichtigen.
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