Das OLG Bremen wendet in der vorstehenden Entscheidung ("Die polnische Friseurin") in mustergültiger Weise die vom BGH[1] entwickelten Grundsätze für die richterliche Kontrolle von Vereinbarungen der Ehegatten zum Versorgungsausgleich (VA) an. Der Fall betrifft die typische Konstellation, dass der Ehemann, dessen erste Ehe geschieden worden war, die zweite Eheschließung vom Abschluss eines Ehevertrages abhängig macht, in dem die gesetzlichen Scheidungsfolgen weitgehend ausgeschlossen werden. Das OLG sieht darin keine verwerfliche Gesinnung des Ehemannes; vielmehr erkennt es dessen Interesse an der Vermeidung einer weiteren Kürzung seiner Versorgungsbezüge für den Fall des Scheiterns der Zweitehe als berechtigt an. Hier handelte es sich um einen Totalausschluss der Scheidungsfolgen, der auch den Betreuungsunterhalt für den Fall umfasste, dass aus der Ehe gemeinsame Kinder hervorgehen würden.

Das OLG stellt klar, dass der Ausschluss des Betreuungsunterhalts zwar einen Eingriff in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts bedeutet, der jedoch aufgrund der Situation bei Vertragsschluss (geplante Doppelverdienerehe, kein Kinderwunsch) nicht zur Sittenwidrigkeit des Vertrags nach §§ 138, 139 BGB führt. Eine Korrektur könne ggf. im Wege der Ausübungskontrolle erfolgen.[2] Die Tatsache, dass die Ehefrau das System des Versorgungsausgleichs nicht verstanden habe, lasse auch nicht auf ihre intellektuelle Unterlegenheit schließen, da der Vertragstext ihr rechtzeitig vor dem Beurkundungstermin vorlag, an dem eine Dolmetscherin teilnahm, und sie ordnungsgemäß von der Notarin belehrt worden war.

Das OLG hat jedoch den Ehevertrag im Wege der Ausübungskontrolle beanstandet, da sich aufgrund der einvernehmlichen Änderung der gemeinsamen Lebensumstände aus dem vereinbarten Ausschluss des VA eine einseitige unzumutbare Lastenverteilung zum Nachteil der Ehefrau ergab. Nachdem ein Jahr nach Eheschließung die gemeinsame Tochter geboren wurde, ging die Ehefrau siebzehn Jahre lang keiner Berufstätigkeit nach, während der Ehemann als Gabelstapler berufstätig war. Durch diese tatsächliche Rollenverteilung in der Ehe, die einvernehmlich erfolgte, konnte die Ehefrau keine Altersanrechte erwerben. Daher hat das OLG den Wegfall der Geschäftsgrundlage des Vertrages (§ 313 BGB) bejaht und die ehebedingten Versorgungsnachteile der Ehefrau ausgeglichen. Hierzu hat es unter Berücksichtigung der jeweiligen tariflichen Vergütung berechnet, welche Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung die Ehefrau bei vollschichtiger Fortführung ihrer Berufstätigkeit als Friseurin erworben hätte. Aufgrund einer sorgsamen fiktiven Berechnung hat das OLG 9,866 Entgeltpunkte ermittelt, denen jedoch tatsächlich nur 0,5090 erworbene Entgeltpunkte gegenüberstehen.[3] Den Versorgungsnachteil[4] von 9,3573 Entgeltpunkten hat es sodann durch Übertragung von Rentenanrechten des Ehemannes in entsprechender Höhe ausgeglichen, jedoch einen Ausgleich der betrieblichen Anrechte des Ehemannes abgelehnt. Die Anpassung im Wege der Ausübungskontrolle hat nämlich nicht die Halbteilung der Anrechte zur Folge, sondern nur den Ausgleich ehebedingter Nachteile.

Fazit:

Die ordnungsgemäße Vorbereitung und Durchführung des Beurkundungstermins (rechtzeitige Zuleitung des Vertragsentwurfs an beide Partner, Hinzuziehung eines Dolmetschers bei eventuellen Sprachschwierigkeiten, Belehrung über die gesetzlichen Scheidungsfolgen und die Folgen eines Ausschlusses oder einer Beschränkung) haben für das wirksame Zustandekommen des Vertrags erhebliche Bedeutung.

Auf den vertraglich wirksam vereinbarten Ausschluss der Scheidungsfolgen kann sich der Ehemann nicht verlassen, wenn sich die ehelichen Lebensverhältnisse einvernehmlich anders entwickeln als bei Vertragsschluss zugrunde gelegt und sich hieraus eine einseitige unzumutbare Lastenverteilung zulasten der Ehefrau ergibt.

Die bisher von der Rechtsprechung im Wege der Ausübungskontrolle beanstandeten Fälle betrafen – soweit ersichtlich – fast ausschließlich Sachverhalte, in denen ein Ehepartner seine Berufstätigkeit aufgegeben oder längere Zeit unterbrochen hat, um sich einvernehmlich der Kindererziehung und Haushaltsführung zu widmen.[5] Sofern dies zu einer unzumutbaren Lastenverteilung führte, wurden die ehebedingten Versorgungsnachteile für den jeweiligen Zeitraum ausgeglichen.

Die Entscheidungen machen die Wertungswidersprüche zwischen Unterhaltsrecht und Versorgungsausgleich deutlich. Das derzeit geltende Unterhaltsrecht stellt von vornherein auf den Ausgleich ehebedingter Nachteile ab, während der Versorgungsausgleich die hälftige Teilhabe an den vom anderen Ehegatten erworbenen Anrechten zum Ziel hat. Dieser kann jedoch durch Vereinbarung auf den Ausgleich ehebedingter Nachteile beschränkt werden. Während das Unterhaltsrecht grundsätzlich eine Obliegenheit zur Aufnahme einer Vollzeittätigkeit nach Vollendung des dritten Lebensjahres des gemeinsamen Kindes begründet, stellt eine Anpassung der Vereinbarung zum VA auf den Ausgleich der Na...

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