Das OLG regelt den Barunterhalt im Falle des Wechselmodells, der in etwa hälftigen Betreuung zweier minderjähriger Kinder, J und L, durch beide Eltern. Es ermittelt den Unterhaltsbedarf, indem es den tabellenmäßigen Regelbedarf von 462 EUR (554 – 92 EUR) für J und von 390 EUR (482 EUR – 92 EUR) für L, den der Vater im Falle alleiniger Barunterhaltspflicht zu zahlen hätte, um den durch das Wechselmodell verursachten Mehrbedarf ergänzt. Die Haftungsanteile der Eltern ermittelt es nach dem für den Unterhalt volljähriger Kinder praktizierten Schlüssel.

Diese Berechnungsweise wird den Besonderheiten des Wechselmodells nicht gerecht. Ohne Begründung legt das OLG den Regelbedarf zugrunde, der sich bei alleiniger Barunterhaltspflicht des Vaters ergäbe. Mit dem gleichen Recht könnte von dem Regelbedarf ausgegangen werden, den die Mutter bei alleiniger Barunterhaltspflicht zu zahlen hätte oder von dem aus der Summe der elterlichen Einkünfte errechneten Regelbedarf.

Bei der Berechnung der elterlichen Haftungsanteile ist der vom OLG beiden Eltern gewährte erhöhte Selbstbehalt von 1.150 EUR auffällig, der jeweils vor der Berechnung der Haftungsanteile ausgespart wird. Da Kindesunterhalt bemessen wird, ist ein erhöhter Selbstbehalt, auch wenn er nur als Rechengröße dient, nicht überzeugend. Besser wäre es gewesen, den Mindestselbstbehalt zu wählen, weil sich der elterliche Vorrang gegenüber minderjährigen Kindern auf den Mindestselbstbehalt beschränkt.

Nach der Auffassung des OLG sind die Wohnkosten bei der Mutter in den Tabellenbeträgen von 462 EUR bzw. 390 EUR enthalten, so dass zur Ermittlung des Gesamtbedarfs noch die durch das Wechselmodell bedingten zusätzlichen Wohnkosten beim Vater zu addieren sind. Genauso gut könnte man den Wohnregelbedarf beim Vater zugrunde legen und die wechselmodellbedingten Mehrkosten bei der Mutter ermitteln. Schließlich gelangt man, wenn man den Barunterhalt aus der Summe der elterlichen Einkünfte bemisst, zu einem Wohnbedarf, der der Summe der elterlichen Einkünfte entspricht. Nicht einsichtig ist, dass unter diesen Alternativen mit jeweils deutlich differierenden Ergebnissen die des OLG den Vorzug verdient.

Schwierigkeiten bereitet sich das OLG dadurch, dass es einen Teil des Wohnbedarfs als Mehrbedarf ausweist. Damit steht es vor der Aufgabe, Wohnbedarf zu ermitteln. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an frühere Versuche, den Unterhaltsbedarf in Wohnbedarf und sonstigen Lebensbedarf aufzugliedern, etwa den des Landgerichts Kassel,[1] der sich als nicht praktikabel erwiesen hat und deshalb zugunsten der Düsseldorfer Tabelle aufgegeben wurde, die nur noch einen einheitlichen Bedarf ausweist. Wie schwierig es ist, den Wohnbedarf im Rahmen der Unterhaltsbemessung als gesonderte Größe zu betrachten, beweist die "aus Vereinfachungsgründen" gewählte, aus einem mehrstufigen Rechenwerk bestehende "pauschalierte Berechnung" des OLG.

Missverständlich ist die Terminologie "Wohnmehrbedarf". Ein Kind hat den Regelbedarf, zu dem der Wohnbedarf zählt, gleich, ob er bei Vater, bei Mutter oder bei beiden Eltern anfällt, und außerdem Mehrbedarf wie Fahrtkosten, für den die Eltern anteilig nach Leistungsfähigkeit einzustehen haben. Auch im Falle des Wechselmodells sollte der Unterhalt so berechnet werden, dass der Wohnbedarf unselbstständiger Bestandteil des Regelbedarfs ist, wobei die Aufgabe bleibt, die Düsseldorfer Tabelle für das Wechselmodell zuzurüsten.

Die Besonderheit des Wechselmodells besteht darin, dass kein Elternteil "seine Verpflichtung, zum Unterhalt eines minderjährigen unverheirateten Kindes beizutragen, in der Regel durch Pflege und Erziehung erfüllt" (§ 1606 Abs. 3 S. 2 BGB). Das Kind hat gemäß § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB einen Barunterhaltsanspruch gegen beide Eltern nach Maßgabe ihrer Leistungsfähigkeit. Der Unterhaltsbedarf der Kinder setzt sich aus dem Regelbedarf, den sie bei jedem Elternteil haben, und dem Mehrbedarf zusammen, der beim Wechselmodell nicht nur die üblichen Mehrbedarfsposten wie Kindergarten und Hortkosten umfasst. Hinzu kommen typische durch das Wechselmodell bedingte Kosten wie erhöhte Fahrtkosten oder – entgegen der Ansicht des OLG – die Kosten einer Drittbetreuung in Zeiten, in denen berufsbedingt kein Elternteil als Betreuungsperson verfügbar ist. Andererseits bringt das Wechselmodell Ersparnisse mit sich, weil bestimmte Bedarfsposten wie Verpflegung und Kleidung nur einmal anfallen.

Damit bietet sich der folgende Lösungsansatz an: Leistungsfähig sind Eltern jedenfalls in Höhe des Tabellenbetrages, den jeder zu zahlen hätte, wäre er allein barunterhaltspflichtig. (Da es um die Veranschaulichung eines Denkansatzes geht, wird der in der Zeit 2012/2013 spielende Fall des OLG zunächst zurückgestellt.) Angenommen der eine Elternteil eines fünfjährigen Kindes ist in Höhe von 536 EUR (Höchstbetrag der Düsseldorfer Tabelle einschließlich Kindergeldanteil) leistungsfähig, der andere in Höhe des Mindestunterhalts von 335 EUR (einschließlich Kindergeldanteil) bei Kindergartenkosten...

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