Zugenommen haben Verfassungsbeschwerden, mit denen ein von der Sorge ausgeschlossener Elternteil sein Sorgerecht im Rahmen gemeinsamer Sorge erstreiten will. Dabei werden die Chancen, die gemeinsame Sorge im Wege der Verfassungsbeschwerde zu erzwingen, wohl häufig überschätzt. Verfassungsrechtlich steht bei der gerichtlichen Entscheidung über die Verteilung der Sorgeberechtigung das Wohl des Kindes im Vordergrund. Die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung setzt eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus, erfordert ein Mindestmaß an Übereinstimmung zwischen ihnen und hat sich am Kindeswohl auszurichten. Fehlt es hieran und sind die Eltern zur Kooperation weder bereit noch in der Lage, kann die gemeinsame Sorge für das Kind dem Kindeswohl zuwiderlaufen. Tragen die Eltern ihren Konflikt auf dem Rücken des Kindes aus, kann das Kind in seiner Beziehungsfähigkeit beeinträchtigt und in seiner Entwicklung gefährdet werden.[15] Insbesondere für den Fall, dass die Voraussetzungen für eine gemeinsame Wahrnehmung der Sorge fehlen, bedarf das Elternrecht daher der gesetzlichen Ausgestaltung.[16] Dem dienen die in §§ 1671 und 1626a BGB getroffenen Regelungen, die zuletzt die auch verfassungsrechtlich gebotene[17] Möglichkeit der Beteiligung der Väter am Sorgerecht erleichtert haben. Dabei besteht von Verfassungs wegen keine Vermutung, dass die gemeinsame Sorge im Fall getrennt lebender Eltern im Zweifel die für das Kind beste Form der Wahrnehmung elterlicher Verantwortung sei. Der Gesetzgeber ist darum aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht gezwungen, der gemeinsamen Sorge beider Eltern gegenüber dem alleinigen Sorgerecht eines Elternteils einen Vorrang einzuräumen.[18]

[15] BVerfGE 107, 150 <173>.
[16] Vgl. BVerfGE 92, 158 <178 f.>; 107, 150 <169>.
[17] BVerfGE 127, 132 ff.
[18] Vgl. BVerfGE 107, 150 <182>; Beschl. der 3. Kammer des Ersten Senats v. 18.12.2003 – 1 BvR 1140/03, Rn 10; BVerfG, Beschl. der 1. Kammer des Ersten Senats v. 4.8.2015 – 1 BvR 1388/15.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge