Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern. Diese an Art. 120 WRV anknüpfende Formulierung[32] in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG bezieht sich auf die biologische Elternschaft als Anknüpfungsrecht für die Elternrechtsregelung.[33] Gleichgestellt sind die rechtliche und soziale Elternschaft.[34] Die Bestimmung des Grundgesetzes endet aber nicht mit dem Elternrecht, sondern betont gleichzeitig "die den Eltern obliegende Pflicht".[35] Sie besteht auch den Kindern gegenüber.[36] Der gesamte Rechte- und Pflichtenkomplex begründet die Elternverantwortung.[37] Insofern besteht weder europarechtlich noch verfassungsrechtlich eine Pflicht, ein statusunabhängiges Klärungsrecht für den biologischen Vater vorzusehen.[38] Der Gesetzgeber konstruiert eine Vaterschaft mit Umgangs- und Auskunftsrechten, aber ohne (weitergehende) Pflichten. Ist die biologische Vaterschaft festgestellt, besteht keine Unterhaltspflicht des leiblichen Vaters, auch wenn der rechtliche Vater z.B. bei Arbeitslosigkeit nicht oder kaum leistungsfähig ist. Das Erbrecht eines Ehegatten, eingetragenen Lebenspartners oder der rechtlichen Kinder wird durch das (weitere) Kind nicht geschmälert. Diesem stehen nicht einmal Pflichtteilsansprüche zu, denen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts[39] als grundsätzlich unentziehbare und bedarfsunabhängige wirtschaftliche Mindestbeteiligung gerade von "außerehelichen" Kindern des Erblassers durch die Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG besondere Bedeutung zukommt.

Entsprechend der amtlichen Überschrift geht es lediglich um die Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters, nicht um die Rechte des Kindes. Diesem steht, selbst wenn es seinem Wohl entsprechen würde, kein Anspruch auf Umgang und Auskunft gegen seinen biologischen Vater zu, ohne dass es seinen rechtlichen Vater verlieren würde. Der biologische Vater erhält damit ein statusunabhängiges Umgangs- und Auskunftsrecht, während dieses seinem Kind verwehrt wird. Umgangsstreitigkeiten wirken sich jedoch nicht nur auf die Rechtsposition des umgangsbegehrenden Elternteils aus, sondern auch auf das Wohl des Kindes. Nicht nur der Verlust von Bindungen, auch die Zunahme von das Kind belastenden Stressfaktoren können einem künftigen Umgang entgegenstehen oder durch einen verweigerten Umgang dem Kindeswohl abträglich sein. Insoweit sollte mit zunehmendem Alter des Kindes auch dessen Wille von Bedeutung sein. Langzeitstudien, aber auch Familienrichter bestätigen, dass ein erzwungener Umgang sich mit Kindeswohlerwägungen kaum rechtfertigen lässt.[40]

Kinder sind das schwächste Glied der Gesellschaft. Sie wurden lange Zeit nur als Objekte betrachtet, und zwar, worauf zutreffend hingewiesen wurde, auch als Objekte der Liebe und Sorge.[41] Geht man vom Wohlergehen der Kinder aus, erscheint das statusunabhängige, einseitig vom Willen des biologischen Vaters abhängige Umgangs- und Auskunftsrecht ein Rückschritt zu sein. Die Diskussion über den Gesetzesentwurf im Internet[42] hat gezeigt, dass die betroffenen Väter "volle Väterrechte und -pflichten" fordern. Deshalb sollte der Gesetzesentwurf diesbezüglich nochmals überarbeitet werden. Im Hinblick auf ein modernes Familien- und Kindschaftsrecht und wegen der geänderten Familienstrukturen darf eine Vaterschaft nicht ohne unterhalts- und erbrechtliche Konsequenzen bleiben. Konsequenz wäre nämlich, dass beim Tod des biologischen Vaters weit entfernte Verwandte erben, nicht aber das eigene Kind. Wird dieses testamentarisch bedacht, fällt es in die Steuerklasse 3 mit einer hohen Erbschaftsteuerbelastung und ohne die Freibeträge, die ein rechtliches Kind hat. Eine Vaterschaft ohne Pflichten und ohne Kinderrechte bleibt ein Widerspruch in sich.

Autor: Prof. Dr. Dr. Herbert Grziwotz , Notar in Regen und Zwiesel, Honorarprofessor an der Universität Regensburg

[32] S. dazu Anschütz, WRV, 14. Aufl. 1933 (ND), Art. 120 Anm. 1.
[33] BVerfG, Beschl. v. 29.7.1968 – 1 BvL 20/63, 31/66 und 5/67, BVerfGE 24, 119, 150 u. BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1742/01, BVerfGE 108, 100.
[34] BVerfG, Beschl. v. 2.7.2010 – 1 BvR 66610, FamRZ 2010, 1621 = NJW 2011, 988.
[35] Vgl. auch § 1626 Abs. 1 Satz 1 BGB, wo zuerst die Pflicht der Eltern betont wird.
[36] BVerfG, Urt. v. 1.4.2008 – 1 BvR 1620/04, BVerfGE 121, 69 = FF 2008, 309 = FamRZ 2008, 845 = NJW 2008, 1287, 1288 u. Schmitt-Kammler/von Coelln, in: Sailer, GG, 5. Aufl. 2005, Art. 6 Rn 47.
[37] BVerfG, Urt. v. 29.1.2003 – 1 BvL 20/99, 1 BvR 933/01, BVerfGE 107, 150, 169; BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1742/01, BVerfGE 108, 82, 102; Coester, FPR 2005, 60 ff.; Gröschner, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2004, Art. 6 Rn 100 ff. u. Schmitt-Kammler/von Coelln, in: Sailer, GG, 5. Aufl. 2005, Art. 6 Rn 47.
[38] Ebenso Helms, FamRZ 2010, 1, 7.
[39] BVerfG, Beschl. v. 19.4.2005 – 1 BvR 1644/00, 188/03, BVerfGE 112, 332 = FamRZ 2005, 872 = NJW 2005, 1561; s. dazu Gaier, ZEV 2006, 2 ff.
[40] S. nur Wallerstein/Lewis, FamRZ 2001, 65, 6...

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