1. Der BGH hat nun, was nach seinen Entscheidungen zum Volljährigenunterhalt und seinen bisherigen Andeutungen zum Minderjährigenunterhalt nicht überrascht, entschieden, dass auch zum Minderjährigenunterhalt bei der Bemessung des Bedarfs eines Ehegatten ab 1.1.2008 der Zahlbetrag und nicht mehr wie bis zum 31.12.2007 der Tabellenbetrag abzuziehen ist. Die Argumente für und gegen diese Auffassung liegen auf dem Tisch, nachkarten lohnt nicht: Roma locuta, causa finita.

Nur eines noch sei angefügt: Die Auffassung des BGH und mit ihm der ganz herrschenden Meinung belastet den unterhaltspflichtigen Ehegatten beim Ehegattenunterhalt mit (82 EUR – 10 %) : 2 = 36,90 EUR zugunsten des unterhaltsberechtigten Ehegatten. Angesichts der Tendenz des BGH, jedenfalls nachehelich den Unterhaltspflichtigen eher zu entlasten und den Unterhaltsberechtigten zu belasten, ein erfreulicher Effekt.

Im Ergebnis hat sich die unterschiedliche dogmatische Behandlung kaum ausgewirkt, weil auch die "Südschiene" in und um das OLG Stuttgart den Kindergeldanteil für den Ehegattenunterhalt dadurch "erschlossen" hat, dass sie den Kindergeldanteil bei knapp bemessenen finanziellen Mitteln im Rahmen der Angemessenheitskontrolle bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit wieder herangezogen hat.

Verlässt man das Klein-Klein des Einzelfalls und fragt sich, wie die Behandlung des Kindergeldanteils in die Dogmatik des Rechts des Ehegattenunterhalts einzupassen ist, zeigt sich Folgendes: Der BGH scheint ja die dogmatischen Vorgaben Bedarf (§ 1578 BGB), Bedürftigkeit (§ 1577 BGB) und Leistungsfähigkeit (§ 1581 BGB) weitgehend aufzulösen und sie ganz im Sinne einer modernen Gesellschaft einer "ganzheitlichen" Betrachtung zuzuführen, während die "Traditionalisten" – wie etwa ich – meinen, man sollte das Unterhaltsrecht so anwenden, wie es gesetzlich strukturiert ist, und in diesem Rahmen die sachgerechte Lösung suchen – was durchaus möglich ist. Bezogen auf den Kindergeldanteil bedeutet dies, dass der Bedarf und die Bedürftigkeit des Kindes zusammengefasst und dieses "Mischprodukt" in die Bedarfsbemessung beim Ehegattenunterhalt eingesetzt wird. In gewisser Weise ist dies auch wieder konsequent: Wenn man schon beim Ehegattenunterhalt nicht mehr stringent zwischen Bedarf und insbesondere Leistungsfähigkeit trennen mag, dann mag dies auch bei den einzelnen Rechnungsposten so gehandhabt werden. Aber eben nur: "Wenn … , dann … ".

2. Nach Leitsatz d der Entscheidung sind "ehebedingte Nachteile" des Unterhaltsberechtigten i.S.d. § 1578b BGB bezogen auf die Möglichkeit, eine der Vorbildung und beruflichen Erfahrung adäquate Arbeitsstelle zu erlangen, vorgreiflich nach § 1577 BGB zu beurteilen. Bestehe die Möglichkeit nicht, wofür der Unterhaltsberechtigte darlegungs- und beweispflichtig sei, erübrige sich eine erneute Prüfung im Rahmen von § 1578b BGB.

Zunächst: Erwerbsobliegenheiten des Unterhaltsberechtigten ergeben sich nicht aus § 1577 BGB, sondern aus den Unterhaltstatbeständen der §§ 15701573, 1575, 1576 BGB. Anspruch auf Unterhalt hat nur, wer seine unterhaltsrechtlichen Obliegenheiten erfüllt. Erfüllt er sie nicht, wird er bereits im Rahmen der Unterhaltstatbestände fiktiv so gehalten, als erfülle er sie. Da der Unterhaltsberechtigte für die tatbestandliche Erfüllung darlegungs- und beweispflichtig ist, führt die Nichterfüllung bzw. die nicht nachgewiesene Erfüllung der Obliegenheiten bereits dazu, dass der Unterhaltsanspruch aus einer bestimmten Norm entfällt.

Praktisch bedeutsames Beispiel: Eine Mutter, die gemeinsame Kinder betreut, kann nicht nachweisen, dass sie neben der Kinderbetreuung nicht auch noch vollschichtig arbeiten kann. Einen Unterhaltsanspruch nach § 1570 BGB hat sie dann nicht. Ggf. kann sie ihn aus § 1573 BGB herleiten; ob nach Abs. 1 oder Abs. 2 bestimmt sich danach, ob sie ihre Erwerbsobliegenheiten in Form von gehörigen Erwerbsbemühungen auch erfüllt. Erfüllt die Mutter sie, folgt ihr Unterhaltsanspruch aus Abs. 1, wenn nicht aus Abs. 2, wenn sie ihren ehebedingten Bedarf nicht vollständig mit den ihr zugerechneten Einkünften decken kann.

Der Unterhaltsanspruch aus § 1573 Abs. 2 BGB lässt sich nun in der Tat nicht isoliert betrachten. Denn er hängt bereits tatbestandlich davon ab, dass mit den in zumutbarer Weise erzielbaren Einkünften der legitime Bedarf (§ 1578 BGB) nicht befriedigt (§ 1577 BGB) werden kann. An der Darlegungs- und Beweislast ändert dies alles jedoch nichts: Der Unterhaltsberechtigte trägt sie sowohl für die Tatbestandlichkeit seines Anspruchs als auch für seinen Bedarf und seine Bedürftigkeit.

Als Zwischenergebnis bleibt aber: Die Frage nach den hinreichenden Erwerbsbemühungen und der realen Beschäftigungschance ist auf der Tatbestandsebene zu beantworten, und erst die Folgerungen aus dieser Antwort bestimmen sich nach §§ 1578, 1577 BGB.

Und was hat dies alles mit der Begrenzung des Unterhaltsanspruchs nach § 1578b BGB zu tun? Nichts, ist man versucht zu sagen. Der BGH führt dazu in seinen Hinweisen an das Berufungsgerich...

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