In dem Verfahren ging es um Trennungsunterhalt. Die Ehefrau hatte sich nach einer langen 26-jährigen Ehe, aus der fünf Kinder hervorgegangen waren, von ihrem Ehemann getrennt und war zu einer Freundin gezogen, mit der sie eine intime gleichgeschlechtliche Beziehung aufnahm. Die Kinder blieben beim Vater.

Der BGH hat die Entscheidung des OLG Brandenburg aufgehoben, weil das OLG den Verwirkungstatbestand des § 1579 Nr. 7 BGB, früher § 1579 Nr. 6 BGB (offensichtlich schwerwiegendes eindeutig bei dem Berechtigten liegendes Fehlverhalten), nicht geprüft hatte.

Das OLG hatte es offen gelassen, ob ein Fehlverhalten vorliegt, das eindeutig der Ehefrau zuzurechnen ist.

Die Abkehr der Klägerin sei aus verständlichen Motiven erfolgt, sodass es an dem Tatbestandsmerkmal Ausbruch aus der Ehe fehle. Das Verhalten der Klägerin stelle sich nicht als schuldhaft dar, weil sie auf Grund ihrer sexuellen Umorientierung und gleichgeschlechtlichen Neigungen im Februar 2000 die Trennung vollzogen habe. Sie habe für sich keine andere adäquate Reaktion als die Lösung aus der ehelichen Lebensgemeinschaft gesehen. Infolge einer solchen Entwicklung (sozusagen schicksalsbedingt) sei die eheliche Treuepflicht des sexuell umorientierten Partners so entscheidend gelockert, dass man sie als beendet ansehen könne.

Festzustellen ist zunächst, dass das UÄndG 2008 die alte Fassung des § 1579 Nr. 6 BGB übernommen und lediglich die Nummerierung wegen der neu eingefügten Nummer 2 (verfestigte Lebensgemeinschaft) geändert hat.

Das Gesetz ist anzuwenden. Insbesondere ist es abwegig auszuführen, aus verfassungsrechtlicher Sicht verbiete sich die sexuelle Umorientierung auf Seiten der Klägerin zu sanktionieren (so das OLG).

Der BGH hat völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass die sexuelle Umorientierung im vorliegenden Fall unerheblich ist. Gleichgültig ob die Berechtigte sich einem neuen heterosexuellen Partner oder einem homosexuellen Partner zuwendet, ist nur zu prüfen, ob sich die Trennung als Ausbruch aus einer intakten Ehe darstellt und ob gegebenenfalls vorher die Ehe bereits aus anderen Gründen gescheitert war.

Dies wäre der Fall, wenn sich der Ehemann selbst gegen die Ehe entschieden hätte, indem er sich zum Beispiel eine Lebensgefährtin zugelegt hätte. Dann wäre ein einseitiges Fehlverhalten nicht festzustellen.

Im vorliegenden Fall hat das OLG aber diese Fragen nicht geprüft, sondern die Prüfung bewusst umgangen.

Wellenhofer scheint in ihrer Anmerkung zu der Entscheidung ähnlich zu argumentieren wie das OLG.[1] Entscheidend ist aber nur die Klärung der Frage, wie es zu der Trennung gekommen ist. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang die lange Ehedauer von 26 Jahren und die Tatsache, dass das jüngste Kind zum Zeitpunkt der Trennung 10 Jahre alt war.

Es geht auch nicht um die Wiedereinführung des Schuldprinzips. Es hat auch überhaupt nichts mit Liberalität zu tun, wenn derjenige, der sich von jetzt auf gleich aus einer derart langen Ehe verabschiedet und mehrere Kinder zurücklässt, sich fragen lassen muss, ob sein Verhalten noch solidarisch ist, wenn er gleichzeitig von dem anderen Ehegatten Unterhalt verlangt.

Richtig scheint mir auch zu sein, dass es keinen Bonus bezüglich des Fehlverhaltens gibt, nur weil der Berechtigte einen gleichgeschlechtlichen neuen Partner gewählt hat. Auch dies hat der BGH völlig zu Recht klargestellt.

Das OLG muss nun genau prüfen, ob und wie es zu der Trennung gekommen ist und ob ein Fall der Abkehr aus einer intakten Ehe (früher "Ausbruch" aus einer normal verlaufenden Ehe) vorliegt.

Hierbei muss der Unterhaltsverpflichtete darlegen und beweisen, dass ein einseitiges schwerwiegendes Fehlverhalten vorliegt. Er muss auch gegebenenfalls Gegenvorwürfe, die in derartigen Fällen üblich sind, die Ehe sei vorher schon gescheitert gewesen, widerlegen.[2] Erfahrungsgemäß ist im Trennungsunterhaltsverfahren gerade ein derartiger Beweis nicht einfach zu führen.

Der BGH hat sich nicht allzu häufig mit der Vorschrift in den letzten 30 Jahren beschäftigen müssen. Er hat auch der verbreiteten Unlust bei Familienrichtern, sich mit der Vorschrift überhaupt auseinanderzusetzen, nachvollziehbar einen Riegel vorgeschoben. Liberalität ist die eine Seite der Medaille (ich kann jederzeit auch eine lange Ehe beenden), Solidarität ist allerdings ein gleichwertiges Prinzip (nach dem bei einer Abkehr von der Ehe Unterhalt gefordert werden kann).

Klaus Schnitzler, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht, Euskirchen

[1] FamRZ 2008, 1417 und früher schon Wellenhofer/Klein, FamRZ 1995, 905 ff.
[2] Vgl. BGH FamRZ 1982, 463.

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