Das deutsche Abstammungsrecht ist dringend reformbedürftig. Obwohl nach umfangreichenden wissenschaftlichen Arbeiten[1] eine Reihe fundierter Vorschläge[2] auf dem Tisch liegen, ist die Reform nach Vorlage des Diskussionsentwurfs des BMJV im März 2019 ins Stocken gekommen. Mit einer Umsetzung bis zum Ende der Legislaturperiode ist leider nicht mehr zu rechnen. Doch könnte sich einmal mehr das BVerfG als Motor des Familienrechts[3] erweisen. Mit Beschlüssen vom 24.3.2021 haben das OLG Celle[4] und das Kammergericht[5] jeweils einen abstammungsrechtlichen Fall dem BVerfG vorgelegt. Es geht um die Frage, ob in einer gleichgeschlechtlichen Ehe die Ehefrau, die das Kind nicht gebiert (Co-Mutter), wie ein Ehemann sofort mit Geburt die rechtliche Elternstellung einnimmt oder zunächst ein Adoptionsverfahren durchlaufen muss.

Der Beitrag diskutiert die verfassungsrechtlichen Fragen, die den Vorlagebeschlüssen (II) zugrunde liegen. Dabei muss es vor allem darum gehen, eine Ungleichbehandlung der betroffenen Kinder zu vermeiden, die keinen Einfluss auf ihre Situation haben (IV). Familienverfassungsrechtlich besonders spannend ist die Einordnung sogenannter "Wunsch"- bzw. "Initiativeltern", die die Geburt des Kindes verursachen und die dadurch Verantwortung für es tragen. Die Bedeutung des richtigen verfassungsrechtlichen Verständnisses dieser Eltern geht über die Vorlagebeschlüsse hinaus und ist grundlegend für die Zuordnung von Elternschaft bei assistierter Reproduktion.

[1] Siehe aus den letzten Jahren nur monographisch: Aust, Das Kuckuckskind und seine drei Eltern, 2015; Duden, Leihmutterschaft im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht, 2015; Favier, Die gemeinsame rechtliche Elternschaft von eingetragenen Lebenspartnern durch die Annahme eines Kindes, 2014; Helms, Gutachten F zum 71. DJT Essen, 2016; Hösel, Grenzüberschreitende Leihmutterschaft als Herausforderung im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht, 2020; von Landenberg-Rohberg, Elternverantwortung im Verfassungsstaat – Eine Rekonstruktion des Art. 6 Abs. 2 GG, 2021; Luh, Die Prinzipien des Abstammungsrecht, 2008; Maurer, Drei-Eltern-Kinder, 2020; Plettenberg, Vater-Vater-Mutter-Kind – Ein Plädoyer für die rechtliche Mehrelternschaft, 2016; Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, 2018; Sanders, Mehrelternschaft, 2018; von Scheliha, Familiäre Autonomie und autonome Familie – Die Selbstbestimmung bei der rechtlichen Eltern-Kind-Zuordnung, 2020; Straub, Das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung und seine Einbettung in das Abstammungsrecht, 2020; Valentin, Biologische Abstammung als Maßstab rechtlicher Zuordnung? – eine rechtsvergleichende Betrachtung des Abstammungsrechts in Deutschland und der Schweiz, 2009; Voigt, Abstammungsrecht 2.0, 2015; Vollersen, Begriff und System des deutschen Abstammungsrechts, 2012; Wanitzek, Rechtliche Elternschaft bei medizinisch unterstützter Fortpflanzung, 2002.
[2] Vgl. nur bei Helms, Gutachten F zum 71. DJT Essen, 2016; Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts, 2018; ders. FamRZ 2021, 824, 828 f.; Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2018.
[3] Löhnig spricht plakativ von der "Vorabendserie das BVerfG gibt dem trägen Gesetzgeber einen Schubs", NZFam 2021, 370.
[4] 21 UF 146/20 – FamRZ 2021, 862 = NZFam 2021, 352 (m.Anm. Löhnig), dazu Reuß, FamRZ 2021, 824; Birnstengel, JAmt 2021, 273.
[5] 3 UF 1122/20 – FamRZ 2021, 854 = NJOZ 2021, 840 = StAZ 2021, 142.

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