Höchstrichterliche Entscheidungen, die sich mit der Ehewohnung oder mit ehelichen Haushaltsgegenständen befassen, sind selten. Umso wertvoller und wichtiger ist der vorstehende Beschluss des Bundesgerichtshofes, klärt er doch – jedenfalls für die Praxis – eines der Hauptprobleme des § 1568a BGB: das Verhältnis der genannten Vorschrift zu den allgemeinen sachenrechtlichen Regelungen, insbesondere zu dem Herausgabeanspruch aus § 985 BGB. Die Konkurrenz beider Normen hat neben der materiell-rechtlichen eine verfahrensrechtliche Komponente, die durch das FamFG zwar entschärft, aber nicht beseitigt wurde. Der Anspruch auf Herausgabe der von einem – ehemaligen – Ehegatten bewohnten Immobilie gestützt auf § 985 BGB ist eine Familienstreitsache im Sinne des § 266 FamFG, für den Anspruch auf Zuweisung der Wohnung nach § 1568a BGB gelten die Regelungen der §§ 200 ff. FamFG.

Zur Verdeutlichung der Problematik sei kurz der Sachverhalt rekapituliert: Die Antragsgegnerin lebte seit der Trennung im Jahre 2014 in der im Alleineigentum des Antragstellers stehenden, ehemals gemeinsam genutzten Wohnung. Nachdem die vom Ehemann betriebene Ehewohnungssache rechtskräftig zurückgewiesen worden war, ist Gegenstand der Entscheidung des Bundesgerichtshofs nunmehr die in den Vorinstanzen erfolgreiche Familienstreitsache, gerichtet auf Räumung und Herausgabe der Wohnung.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist im Ergebnis uneingeschränkt zu begrüßen. Die sowohl für die Zulässigkeit des Verfahrens als sonstige Familiensache im Sinne des § 266 FamFG als auch für die Begründetheit des Herausgabeverlangens allein entscheidende Frage, ob die von der Antragsgegnerin bewohnte Wohnung auch mehr als sechs Jahre nach der Trennung der Eheleute noch als Ehewohnung im Sinne des § 1568a BGB zu betrachten ist, beantwortet der BGH pragmatisch und mit überzeugender Eindeutigkeit.

Bereits in seinem Beschl. v. 29.9.2016[1] hat er der ehemals gemeinsamen Wohnung den Charakter als Ehewohnung für die gesamte Dauer des Getrenntlebens zugesprochen. Für die Qualifizierung der Wohnung als Ehewohnung sei es nicht erforderlich, dass beide Ehegatten noch in ihr wohnten. Der räumlich-gegenständliche Schutz der Ehe erfordere es vielmehr, dass der gewichene Ehegatte während der gesamten Trennungszeit, unabhängig von der Dauer seiner Abwesenheit, die Möglichkeit habe, in die Wohnung zurückzukehren. Herausgabeansprüche aus Eigentum und Besitz seien durch § 1361b BGG gesperrt.

Diese – nicht unstreitige – Auffassung bekräftigt und verdeutlicht der BGH: Die Wohnung ist immer dann eine Ehewohnung, wenn sie dies auch während der Dauer des Getrenntlebens war.[2] Dementsprechend kommt bis zur Rechtskraft der Ehescheidung eine Entwidmung durch den Auszug des einen und den einvernehmlichen Verbleib des anderen in der Wohnung nicht in Betracht. Die Wohnung kann den Charakter als Ehewohnung daher nur verlieren, wenn beide Eheleute sie verlassen haben und sie in der Folge mit Einverständnis der Eheleute von einem Dritten genutzt wird.

In dem Beschl. v. 29.9.2016 unbeantwortet, weil nicht streitgegenständlich, blieb die Frage nach dem zeitlichen Anwendungsbereich des § 1568a BGB.

Während derjenige des § 1361b BGB naturgemäß beschränkt ist auf die Dauer des Getrenntlebens, enthält § 1568a BGB jedenfalls auf den ersten Blick keine zeitliche Beschränkung. Dementsprechend werden die für den Anwendungsbereich des § 1568a BGB entscheidenden Fragen, welcher Zeitpunkt für die Annahme einer Ehewohnung im Sinne des § 1568a BGB entscheidend ist und wie lange dieser Status andauert, kontrovers diskutiert.

Der BGH folgt zunächst dadurch, dass er auf die Rechtskraft der Ehescheidung abstellt, der herrschenden Auffassung in der Literatur und obergerichtlichen Rechtsprechung[3] und erteilt denjenigen eine Absage, die den Zeitpunkt der Entscheidung als maßgebend ansehen.[4] Der zeitliche Zusammenhang zur Ehescheidung gehöre bereits zu den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1568a BGB (anlässlich der Ehescheidung) und wahre den schon begrifflich notwendigen Bezug zur Nutzung der Wohnung während bestehender Ehe.

Der Zeitpunkt der Rechtskraft der Ehescheidung entscheidet, ob die Wohnung eine Ehewohnung ist, klärt aber noch nicht die zeitliche Dauer dieses Status. Endet er, wenn die Scheidung rechtskräftig ist,[5] ein Jahr später[6] oder erst mit einer Entwidmung durch beide Eheleute?[7]

Der BGH wendet die Jahresfrist § 1568a Abs. 6 BGB an: Der Anspruch auf Überlassung der Ehewohnung nach § 1568a BGB erlischt ein Jahr nach Rechtskraft der Ehescheidung, wenn er nicht zuvor gerichtlich geltend gemacht wird (BGH a.a.O., Rn 22). Damit finden die Zuweisungsregelungen Anwendung vom Beginn des Getrenntlebens der Eheleute bis zum Ablauf eines Jahres nach Rechtskraft der Ehescheidung. Derjenige Ehegatte, der die Wohnung im Zuge der Trennung oder auch danach verlassen hat, kann bis zu dem genannten Zeitpunkt einen Zuweisungsantrag stellen mit dem Ziel einer Rückkehr in die Wohnung. Dies ist nicht nur eindeutig und...

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