Höchst umstritten war, wie eine Wahlanwaltsgeschäftsgebühr anzurechnen ist, wenn der Anwalt im nachfolgenden gerichtlichen Verfahren beigeordnet wird. Es stellte sich dann das Problem, dass der Anwalt außergerichtlich eine Gebühr nach der Wahlanwaltstabelle erhielt, während er im gerichtlichen Verfahren nur noch die Gebühren nach der VKH-Tabelle des § 49 RVG verdiente. Hier wurden verschiedene Methoden zur Anrechnung vertreten. Der Gesetzgeber hat mit der Neufassung des § 58 Abs. 2 RVG klargestellt, wie vorzugehen ist. Dabei gilt Folgendes:

Zunächst einmal ist die hälftige Wahlanwaltsgeschäftsgebühr, die anzurechnen ist, zu ermitteln (höchstens 0,75,).
Sodann ist die Differenz der verdienten 1,3-Verfahrensgebühr nach der Tabelle des § 49 RVG zu einer 1,3-Wahlanwaltsverfahrensgebühr der Tabelle des § 13 RVG zu ermitteln.
In Höhe dieses Differenzbetrags bleibt dann die an sich anzurechnende hälftige Wahlanwaltsgeschäftsgebühr anrechnungsfrei.
Bei Werten bis 4.000 EUR spielt dies keine Rolle, da bis hierhin die Wahlanwaltsbeträge und die VKH-Gebührenbeträge identisch sind. Bei höheren Werten ergibt sich zunächst einmal nur eine teilweise Anrechnung (Beispiel 7). Bei besonders hohen Werten kann dies dann sogar dazu führen, dass gar nichts mehr anzurechnen ist, weil die Differenz höher ist, als der Anrechnungsbetrag (Beispiel 8).
 

Beispiel 7: Der Anwalt war außergerichtlich nach einem Gegenstandswert von 8.000 EUR für den Mandanten tätig. Hiernach kommt es zum gerichtlichen Verfahren, in dem der Anwalt seinem Mandanten im Wege der Verfahrenskostenhilfe beigeordnet wird. Nach mündlicher Verhandlung ergeht ein Urteil. Vorgerichtlich hatte der Anwalt mit dem Mandanten wie folgt abgerechnet:

I. Außergerichtliche Vertretung

 
1. 1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert 8.000 EUR)   625,60 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG   20,00 EUR
  Zwischensumme 672,60 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG   127,79 EUR
  Gesamt   800,39 EUR

II. Gerichtliches Verfahren

 
1 1,3-Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG, § 49 RVG (Wert 8.000 EUR)   426,40 EUR
2. gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG, § 13 RVG anzurechnen, 0,65 aus 8.000 EUR -326,30 EUR  
  davon nach § 58 Abs. 2 S. 2 RVG anrechnungsfrei (625,60 EUR – 426,40 EUR) 199,20 EUR  
  verbleibender Anrechnungsbetrag   -127,10 EUR
3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG, § 49 RVG (Wert: 8.000 EUR)   380,40 EUR
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG   20,00 EUR
  Zwischensumme 709,70 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG   134,84 EUR
  Gesamt   844,54 EUR
 

Beispiel 8: Wie Beispiel 7. Der Gegenstandswert beträgt 50.000 EUR.

I. Außergerichtliche Vertretung

 
1. 1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert 50.000 EUR)   1.662,70 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG   20,00 EUR
  Zwischensumme 527,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG   100,13 EUR
  Gesamt   627,13 EUR

II. Gerichtliches Verfahren

 
1 1,3-Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG, § 49 RVG (Wert 50.000 EUR)   791,70 EUR
2. gem. Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG, § 13 RVG anzurechnen, 0,65 aus 8.000 EUR -831,35 EUR  
  davon nach § 58 Abs. 2 S. 2 RVG anrechnungsfrei (1.662,70 EUR – 791,70 EUR) 871,00 EUR  
  verbleibender Anrechnungsbetrag   -0,00 EUR
3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG, § 49 RVG (Wert: 8.000 EUR)   730,80 EUR
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.542,50 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG   293,08 EUR
  Gesamt   1.835,58 EUR

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