Praxis-Beispiel

Sachverhalt:

E, die geschiedene Ehefrau des M, versorgt die gemeinsamen Kinder KE 1, geboren am 10.10.2002 (14 J), und KE 2, geboren am 9.9.2009 (7 J). E arbeitet 75 % und verdient 1.200 EUR netto. Die Scheidung wurde 2012 rechtskräftig und M zur Zahlung eines nachehelichen Unterhalts i.H.v. 680 EUR verpflichtet. M verdient 3.500 EUR netto und hat mit seiner neuen Ehefrau F zwei weitere Kinder KF 1, geboren am 4.9.2013 (3 J), und KF 2, geboren am 8.2.2017. F verdiente zuletzt 2.250 EUR, bezieht allerdings derzeit das verlängerte Erziehungsgeld (2 Jahre) i.H.v. aktuell 750 EUR.

M bezahlt den Kindesunterhalt für die Kinder KE 1 und KE 2 aus DT EGr 4, Ast. 3 und 2 i.H.v. (529 EUR – 96 EUR =) 433 EUR und (452 EUR – 96 EUR =) 356 EUR, somit 789 EUR.

M ist der Auffassung, der E nunmehr keinen Unterhalt mehr zu schulden.

Zu welchem Ergebnis gelangen sie?

Lösung:

Vorweg: Kindesunterhalt für die Kinder KE 1 und KE 2 sowie KF 1 und KF 2.

Grundsätzlich bei EkGr 6, da aber sechs Unterhaltsberechtigte, ist zumindest eine Herabstufung um zwei Stufen in EkGr 4 angemessen.

KE 1: (529 EUR – 96 EUR =) 433 EUR

KE 2: (452 EUR – 96 EUR =) 356 EUR

KF 1: (394 EUR – 96 EUR =) 298 EUR

KF 2: (394 EUR – 96 EUR =) 298 EUR

Insgesamt leistet M somit Kindesunterhalt i.H.v. 1.385 EUR (F ist nicht in der Lage, für den Kindesunterhalt etwas zu leisten; i.Ü. betreut sie die Kinder KF 1 und KF 2).

Dem M verbleiben daher noch 3.500 EUR – 1.385 EUR = 2.115 EUR.

Höhe des Unterhaltsanspruchs der E?

Anspruchsgrundlage: § 1570 BGB oder § 1573 Abs. 2 BGB?

E arbeitet 75 % – im Hinblick auf das Alter der Kinder. Grundsätzlich könnte sie in Vollzeit tätig sein. Sie müsste nachweisen, dass sie aus kind- oder elternbezogenen Gründen an einer Vollzeittätigkeit gehindert ist.

Alternative 1 – E kann aus kindbezogenen Gründen nicht mehr arbeiten:

Lösung 1:

Anspruchsgrundlage: § 1570 Abs. 2 BGB (Rang § 1609 Nr. 2 BGB – gleichrangig zu F)

1. Schritt:

Bedarf der E: In einem ersten Schritt ist der Bedarf ohne die Kinder KF 1 und KF 2 und ohne die F zu berechnen. M: 3.500 EUR – 789 EUR = 2.711 EUR.

Bedarf: ½ × (9/10 × 2.711 EUR + 9/10 × 1.200 EUR) = 1.760 EUR.

Höhe: 1.760 EUR – 1.080 EUR = 680 EUR.

Weiter ist der Bedarf der F zu berechnen: Elterngeld 750 EUR – einzusetzen sind aber nur 600 EUR (150 EUR frei)

Bedarf: ½ × (9/10 × 2.115 EUR – 680 EUR + 600 EUR) = 911,75 EUR – Mindestbedarf des Ehegatten 960 EUR

Höhe: 960 EUR – 600 EUR = 360 EUR

Leistungsfähigkeit: M zahlt Kindsunterhalt i.H.v. 1.385 EUR, an E 680 EUR und an F 360 EUR, sodass ihm 1.075 EUR verbleiben.

Es liegt ein (knapp) absoluter – auf jeden Fall aber relativer – Mangelfall vor, da der E sonst mehr verbliebe als dem M. (Grundsätzlich ist im Mangelfall der KiUH aus der ersten Einkommensgruppe zu entnehmen (SüdL 24.1.). Da hier allerdings nur um die Differenz von 5 EUR ein absoluter Mangelfall vorliegt (1.080 EUR – 1.075 EUR), verbleibt es zunächst bei der bisherigen Betrachtung – andernfalls müsste mit EkGr 1 gerechnet werden). Weiter wird hier die Auffassung vertreten, dass noch nicht ohne den Erwerbsbonus gerechnet werden muss, da der absolute Mangelfall nur knapp erreicht wird (1.080 EUR – 1.075 EUR = 5 EUR).

2. Schritt:

Lösung über die Dreiteilung gemäß § 1581 BGB:

Einkommen M abzüglich des gesamten (vorrangigen § 1609 Nr. 1 BGB) Kindesunterhalts: 2.115 EUR

Bedarf: 1/3 × (9/10 × 2.115 EUR + 9/10 × 1.200 EUR + 600) = 1.194,50 EUR

Höhe E + 10 %[33]: 1.313, 95 EUR – 1.080 EUR = 233,95 EUR.

Höhe F – 10 %: 1.075,05 EUR – 600 EUR = 475,05 EUR

Dem M verbleiben 1.194,50 EUR.

Das Abänderungsbegehren des M ist erfolgreich, da der E nicht mehr ein Unterhaltsanspruch i.H.v. 680 EUR zusteht, sondern nur noch ein solcher i.H.v. 233,95 EUR.

Alternative 2 – E könnte Vollzeit arbeiten (1.600 EUR) – kindbezogene Gründe stehen nicht entgegen:

Lösung 2:

Anspruchsgrundlage: § 1573 Abs. 2 BGB (im Rang § 1609 Nr. 3 BGB nachrangig zu F; es gilt Handbuch des FA-FamR/Gerhardt, 10. Aufl. 2015, Kap. 6 Rn 967)

Da E gegenüber der F nachrangig ist, ist zunächst der Bedarf der F zu ermitteln.

E: In einem ersten Schritt ist der Bedarf ohne die Kinder KF 1 und KF 2 und ohne die F zu berechnen. M: 3.500 EUR – 789 EUR = 2.711 EUR.

Bei F sind fiktiv die Vollzeiteinkünfte zu berücksichtigen.

Bedarf: ½ × (9/10 × 2.711 EUR + 9/10 × 1.600 EUR) = 1.940 EUR.

Höhe: 1.940 EUR – 1.440 EUR = 500 EUR.

Weiter ist der Bedarf der F zu berechnen:

F hat nur 600 EUR einzusetzen (s.o.).

Bedarf: ½ × (9/10 × 2.115 EUR – 500 EUR + 600 EUR) = 1.001,75 EUR

Höhe: 1.001,75 EUR – 600 EUR = 401,75 EUR

Leistungsfähigkeit: M zahlt Kindsunterhalt i.H.v. 1.385 EUR, an E 500 EUR und an F 401,75 EUR, sodass ihm 1.213,25 EUR verbleiben.

Es liegt ein relativer Mangelfall vor, da der E sonst mehr verbliebe als dem M.

M: 1.213,25 EUR

E: 1.940 EUR

3. Schritt:

Lösung über die Dreiteilung:

Einkommen M abzüglich des gesamten (vorrangigen, § 1609 Nr. 1 BGB) Kindesunterhalts: 2.115 EUR

Bedarf: 1/3 × (9/10 × 2.115 EUR + 9/10 × 1.600 EUR + 600 EUR) = 1.314,50 EUR

Höhe E + 10 %: 1.445, 95 EUR – 1.440 EUR = 5,95 EUR (...

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