BGB § 1572 § 1578b; FamFG § 238 Abs. 2

Leitsatz

Zur Begrenzung eines vor der Unterhaltsrechtsreform titulierten Anspruchs auf Krankheitsunterhalt.

BGH, Beschl. v. 19.6.2013 – XII ZB 309/11 (OLG Koblenz, AG Worms)

1 Tatbestand:

[1] Die Beteiligten streiten um die Abänderung eines Titels über nachehelichen Unterhalt.

[2] Der 1958 geborene Antragsteller und die 1960 geborene Antragsgegnerin sind in der ehemaligen Tschechoslowakei geboren und aufgewachsen. Dort schlossen sie im März 1981 ihre kinderlos gebliebene Ehe. Im Jahre 1985 siedelten sie in die Bundesrepublik Deutschland über. Die Beteiligten trennten sich im November 1999 und wurden auf einen im März 2001 zugestellten Scheidungsantrag durch Urt. v. 13.7.2001 geschieden. Der öffentlich-rechtliche Versorgungsausgleich wurde nach Abtrennung aus dem Scheidungsverbund durch Beschl. v. 7.1.2002 geregelt; dabei wurden monatliche Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung in einer Gesamthöhe von 191,91 EUR, bezogen auf den 28.2.2001, von dem Versicherungskonto des Antragstellers auf das Versicherungskonto der Antragsgegnerin übertragen.

[3] Der Antragsteller schloss im September 2002 eine neue Ehe. Durch Urteil des Amtsgerichts vom 14.3.2003 wurde er verurteilt, an die Antragsgegnerin einen monatlichen Nachscheidungsunterhalt in Höhe von 830,63 EUR zu zahlen. Dabei ging das Amtsgericht auf Seiten des Antragstellers von einem monatlichen Nettoeinkommen in Höhe von rund 4.300 EUR aus, wobei es diese Einkünfte allerdings wegen eines nach der Trennung vollzogenen und als Karrieresprung gewürdigten Arbeitgeberwechsels nur teilweise, nämlich in Höhe von rund 3.100 EUR, bei der Unterhaltsbemessung berücksichtigte. Dem standen auf Seiten der Antragsgegnerin eine durch den Zuschlag an Entgeltpunkten im Versorgungsausgleich bereits aufgebesserte Erwerbsunfähigkeitsrente in monatlicher Höhe von rund 910 EUR gegenüber.

[4] Der Antragsteller ist als Angestellter bei einer Bank beschäftigt. Aus seiner neuen Ehe sind zwei minderjährige, in den Jahren 2004 und 2006 geborene Kinder hervorgegangen, die von der nicht berufstätigen Ehefrau des Antragstellers betreut werden. Das derzeitige Nettoeinkommen des Antragstellers beträgt rund 4.600 EUR; er lebt mit seiner neuen Familie mietfrei in einer – allerdings noch nicht lastenfreien – Immobilie.

[5] Die Antragsgegnerin hat in der früheren ČSSR zwischen 1975 und 1978 den Beruf der Schneiderin erlernt. Im Anschluss absolvierte sie dort die Wirtschaftsoberschule, an der sie im Jahre 1983 das Reifezeugnis erwarb. Zwischen 1983 und 1985 war sie als Betriebsleiterin in der Konfektionsherstellung beschäftigt. Nach der Übersiedlung in die Bundesrepublik im Jahre 1985 führte die Antragsgegnerin den Haushalt der Beteiligten. Zwischen 1987 und 1990 durchlief sie eine Umschulung zur Krankengymnastin; in diesem Beruf war sie bis 1991 teilschichtig berufstätig. Im Jahre 1993 wurde bei der Antragsgegnerin eine Multiple Sklerose diagnostiziert; seit September 1995 steht sie im Bezug einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, deren Höhe derzeit 952 EUR beträgt.

[6] Im vorliegenden Verfahren hat der Antragsteller beantragt, die Unterhaltspflicht gegenüber der Antragsgegnerin in Abänderung des Urteils vom 14.3.2003 mit Wirkung zum 1.7.2010 entfallen zu lassen. Das Amtsgericht hat dem Antrag nur teilweise stattgegeben und das Urteil für den Zeitraum seit dem 1.6.2011 dahin abgeändert, dass der Antragsteller nur noch zur Zahlung eines nachehelichen Unterhalts in Höhe von 400 EUR verpflichtet ist. Beide Beteiligte haben gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt. Während das Rechtsmittel der Antragsgegnerin erfolglos geblieben ist, hat das Oberlandesgericht der Beschwerde des Antragstellers weitgehend entsprochen und erkannt, dass der Antragsteller für die Zeit vom 1.6.2011 bis zum 31.12.2011 noch einen auf monatlich 400 EUR herabgesetzten Ehegattenunterhalt zu zahlen habe und seit dem 1.1.2012 keinen Unterhalt mehr schulde.

[7] Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin, mit der sie die vollständige Zurückweisung des Abänderungsantrages des Antragstellers weiterverfolgt.

2 Gründe:

[8] Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

[9] I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, den Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin zu begrenzen, im Wesentlichen das Folgende ausgeführt:

[10] Die Antragsgegnerin habe keine ehebedingten Nachteile erlitten. Selbst wenn sie ohne die Eheschließung mit dem Antragsteller schon früher in die Bundesrepublik übergesiedelt wäre, könne nicht davon ausgegangen werden, dass sie hier ein Medizinstudium hätte absolvieren können. Das von ihr erworbene Reifezeugnis an der tschechoslowakischen Wirtschaftsoberschule habe in Deutschland lediglich zum Studium an der Fachoberschule berechtigt. Ohne eine weitere deutsche Schulausbildung hätte sie daher in der Bundesrepublik nicht Medizin studieren können, wobei es selbst dann äußerst fraglich gewesen wäre, ob sie die Voraussetzungen des Numerus Clausus für medizinische Studiengänge e...

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