1. Bei der Übertragung des Sorgerechts nach § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB auf einen Elternteil ist vorrangig auf das Kindeswohl, also das Recht des Kindes auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit abzustellen, wobei die Bindungen des Kindes an seine Eltern und Geschwister, die Erziehungsbefähigung und Fördermöglichkeiten der Eltern, der Kontinuitätsgrundsatz und der Kindeswille wichtige Kriterien darstellen, die im Einzelfall mehr oder minder bedeutsam für die letztlich dem Tatrichter obliegende Beurteilung sind. Der Kindeswille als verbaler Ausdruck für die relativ stärkste Personenbindung und – mit zunehmendem Alter – als Akt der Selbstbestimmung ist dabei stets hinsichtlich der Aspekte Autonomie, Stabilität, Intensität und Zielorientierung zu bewerten, wobei seine Ermittlung durch eine einmalige Exploration kaum verlässlich möglich ist, sondern vielmehr mindestens zwei zeitlich auseinanderliegende Settings erforderlich erscheinen, damit das Kind Gelegenheit zu widersprüchlichen Aussagen hat (OLG Thüringen, Beschl. v. 21.2.2011 – 1 UF 273/10, FamRZ 2011, 1070).
  2. Bei einem Ruhen der elterlichen Sorge des allein sorgeberechtigten Elternteils ist die Übertragung der elterlichen Sorge auf den anderen Elternteil schon dann vorzunehmen, wenn dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht. Die Entscheidung bedarf nach § 1678 Abs. 2 BGB nicht der Zustimmung des bisher allein sorgeberechtigten Elternteils (OLG Bamberg, Beschl. v. 14.1.2011 – 2 UF 204/10, FamRZ 2011, 1072; die zugelassene Rechtsbeschwerde ist eingelegt, BGH XII ZB 63/11).
  3. Vor Ausschluss des Umgangsrechts nach § 1684 BGB haben die nationalen Gerichte angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um eine Verweigerungshaltung des Elternteils, bei dem das Kind lebt, zu beenden. Auch wenn Zwangsmaßnahmen im Hinblick auf die Kinder in diesem sensiblen Bereich nicht wünschenswert sind, darf die Anwendung von Sanktionen bei offensichtlich rechtswidrigem Blockadeverhalten des Elternteils nicht ausgeschlossen werden. Anderenfalls ist das Recht des umgangsberechtigten Elternteils auf Achtung seines Familienlebens nach Art. 8 EMRK verletzt (EuGHMR, Urt. v. 10.2.2011 – Beschwerde Nr. 1521/06: Tsiakakis, FamRZ 2011, 1125; das BVerfG hatte in dem Beschl. v. 28.7.2005 – 1 BvR 180/04 –, juris, erkannt, dass der Beschl. des OLG noch dem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG gerecht werde).

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