Damit erscheint die Notwendigkeit einer Weiterentwicklung der Rechtsprechung im Hinblick auf Gütertrennungsvereinbarungen unabweisbar. Dabei deuten sich nach dem derzeitigen Diskussionsstand zwei Wege an. Mindestens erforderlich wäre eine Gleichstellung von Versorgungsausgleich und Zugewinnausgleich auf der Kernbereichsskala in den Fällen der Funktionsäquivalenz, in denen mangels nennenswerter Versorgungsanwartschaften die Altersversorgung wesentlich über eine private Vermögensbildung erfolgt und dementsprechend der Zugewinnausgleich auch der Versorgung und damit dem Ausgleich ehebedingter Nachteile dient.[1] Dies ist vor allem in Unternehmerehen häufig der Fall. Daher muss ein Ausschluss des Zugewinnausgleichs bei Unternehmern kritischer beurteilt werden als bei Angestellten, die relevante Versorgungsanwartschaften aufbauen. Dagegen spricht auch nicht der in der höchstrichterlichen Rechtsprechung gelegentlich angedeutete Einwand, ein Unternehmer habe legitime Gründe, Gütertrennung zu vereinbaren, weil er sein Unternehmen für den Fall des Scheiterns der Ehe vor Liquidationsabfluss oder sogar Zerschlagung schützen dürfe.[2] Da es zahlreiche Möglichkeiten gibt, einen angemessenen Schutz des Unternehmensvermögens im Wege eines modifizierten Zugewinnausgleichs herzustellen, ohne den Ehepartner einseitig und unzumutbar zu belasten, besteht kein Anlass für eine einschneidende Ungleichbehandlung von Unternehmern und Angestellten in dem Sinne, dass der Unternehmer durch Vereinbarung von Gütertrennung seinem Ehepartner eine Altersversorgung vorenthalten könne.

Jenseits einer solchen minimalinvasiven Bereinigung der Widersprüche zeichnet sich jedoch eine umfassendere dogmatische Neubesinnung auf die teleologischen Grundlagen ab:[3] Nicht mehr das formale Ranking der konkludenten Scheidungsfolgen soll den Kernbereich bestimmen, sondern das zentrale Schutzzieldes gesamten Scheidungsfolgensystems, die Kompensationehebedingter Nachteile.[4] Eine einseitige Belastung eines Ehepartners würde nach diesem Konzept dann vorliegen, wenn durch die vertragliche Vereinbarung eine in der jeweiligen gesetzlichen Regelung angelegte Kompensation ehebedingter Nachteile ausgeschlossen wird und eine Kompensation nicht auf anderem Wege erfolgt. Eine Gütertrennungsvereinbarung würde dann insoweit einer Inhaltskontrolle unterliegen, als sie kompensationslos auch die nachteiligen Konsequenzen eines Verzichtes eines Ehepartners auf eigene Erwerbs- und Vermögensbildungschancen umfasst. Soweit ehebedingte "Vermögenseinbußen" eingetreten sind, wäre im Wege der Ausübungskontrolle ein Wertschöpfungsausgleich zu gewähren und zwar im Sinne eines "clear break" als einmalige Leistung und nicht wie bisher über den Unterhalt.[5] Für die Höhe des Wertausgleichs maßgeblich wäre die fiktive Erwerbsbiographie des ausgleichsberechtigten Ehepartners; es wäre unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles darauf abzustellen, welche eigene private Vermögensbildung ihm hätte gelingen können, wenn er die Chance zur Realisierung seines beruflichen Potentials gehabt hätte. Die im Zugewinnausgleich enthaltene, auch Gewinnchancen umfassende Teilhabe wäre abdingbar, unabdingbar bliebe aber die Verantwortung für die nachteiligen Konsequenzen einer einverständlich praktizierten familiären Arbeitsteilung.[6] Die Ehevertragsfreiheit gem. § 1408 würde damit in dem Sinne teleologisch reduziert, dass eine Kompensation ehebedingter Nachteile in Form einer unterbliebenen eigenen Vermögensbildung nicht wirksam vorab ausgeschlossen werden könnte; beim Ausgleich ehebedingter Nachteile befände man sich im vertragsresistenten Kernbereich.[7]

In unserem Beispiel stände M damit jedenfalls ein angemessener Betrag zu; bei der Höhe wäre darauf abzustellen, welche eigene Altersvorsorge und Vermögensbildung M bei Fortsetzung seiner Karriere als internationaler Investmentbanker nach normalem Lauf der Dinge erreicht hätte. Nach oben hin begrenzt wäre sein Anspruch durch den Halbteilungsgrundsatz.

Sehr gut vereinbaren ließe sich dieses neue Modell einer materiell gehandhabten Kernbereichslehre mit dem Gesichtspunkt einer "begrenzten Rationalität" bei der Gestaltung von langfristigen, dynamischen Vertragsbeziehungen. Die Gefahr eines Überoptimismus besteht – wie dargelegt – insbesondere im Hinblick auf die Stabilität der Partnerschaft, dementsprechend wird die Notwendigkeit des Selbstschutzes tendenziell unterschätzt. Genau dieser Rationalitätslücke trägt der neue Ansatz für die Inhaltskontrolle von Eheverträgen Rechnung. Auf einen Ausgleich für individuelle Nachteile als Folge solidarischen Engagements für die Partnerschaft kann nicht mehr wirksam vorab verzichtet werden; auch der Familienarbeit leistende Partner hat Anspruch auf Wertschöpfungsausgleich im Umfang der ihm tatsächlich entstandenen Nachteile.

Möglicherweise könnte auf diese Weise auch eine Annäherung an das sog. Nebengüterrecht erreicht werden, das schon bisher in den Fällen einen Ausgleichsanspruch gewährt, in denen ein Ehepartne...

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