Damit stellt sich die Frage, ob die Vertragsparteien solche dispositiven Regelungen mit Schutzfunktion beliebig und vollständig abwählen können oder ob entsprechende Regelungen eine Ordnungs- und Leitbildfunktion entfalten, die eine richterliche Inhaltskontrolle legitimieren können.

Das BVerfG[1] anerkennt im Ausgangspunkt das Postulat der "Richtigkeitsgewähr",[2] dass der übereinstimmende Wille der Vertragsparteien im Regelfall auf einen sachgerechten Interessenausgleich schließen lässt, den der Staat grundsätzlich zu respektieren habe.[3] Eine Inhaltskontrolle fordert es allerdings für die Konstellationen, in denen der Vertragsinhalt für eine Vertragspartei ungewöhnlich belastend und als Interessenausgleich unangemessen ist und außerdem Ausdruck "gestörter Parität" als Folge "strukturell ungleicher Verhandlungsstärke" ist.[4] Dabei stellt es ausdrücklich darauf ab, dass es sich um eine typisierbare Fallgestaltung einer strukturellen Unterlegenheit handeln muss.[5] Damit erweist sich der Ansatz des BVerfG freilich als nur begrenzt ergiebig für das Problem einer Abbedingung gesetzlicher Scheidungsfolgen insbesondere eines vollständigen Ausschlusses des Zugewinnausgleichs: Zwischen den Partnern eines Ehevertrages lässt sich bei Vertragsschluss eine typische strukturelle Ungleichgewichtslage nicht feststellen; die Konzeption von Schwenzer einer generellen strukturellen Unterlegenheit der Frau[6] hat die Diskussion entscheidend befruchtet, sich letztlich aber wohl doch als Sackgasse erwiesen. Nicht einmal das auf den ersten Blick handfeste Kriterium der Schwangerschaft erlaubt für sich genommen einen Rückschluss auf eine verallgemeinerungsfähige „strukturelle Unterlegenheit“. Das BVerfG räumt selbst ein, dass sie nur ein Indiz für eine Disparität sei.[7] Damit lässt sich eine Ungleichgewichtslage zwischen den Ehevertragspartnern, die dem Postulat der Richtigkeitsgewähr den Boden entzieht und daher eine Kontrolle und Korrektur des Vertrags fordert, nur aus den Umständen des Einzelfalls (psychischer Druck, Ausnutzung einer Zwangslage etc.) ableiten. Denkbar ist auch, dass die Lastenverteilung so evident einseitig ist, dass sie bereits für sich genommen den Rückschluss auf eine Paritätsstörung herausfordert, weil es ausgeschlossen erscheint, dass sich eine Partei auf Augenhöhe auf eine derartige Regelung eingelassen hätte.[8] Solche „Eheverträge in Verzweiflung“ gibt es, wie das Fallmaterial der Kombination von Totalverzicht und Schwangerschaft zeigt; diese Konstellationen sind klassische Fälle des § 138. Sie eignen sich aber nicht als Basis für eine dogmatische Fundierung einer allgemeinen Inhaltskontrolle von Eheverträgen.

[1] Siehe die Nachweise in den Fn 15–17.
[2] Der plastische und wirkungsmächtige Begriff geht zurück auf Schmidt/Rimpler, AcP 147 (1941), 130.
[3] BVerfG NJW 2001, 957, 958. unter I. 1. b).
[4] BVerfG NJW 1994, 36, 39.
[5] BVerfG NJW 1994, 36, 38 re. Sp. unter C. I. 2. b).
[6] Schwenzer, AcP 196 (1996), 88.
[7] BVerfG NJW 2001, 957, 959 li. Sp. unter II. 2. c).
[8] Wagenitz (Fn 2), S. 2.

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